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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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deuten, das ihn seit Stunden nicht mehr losließ. Es war Todesangst. Er horchte mit allen Sinnen in die Dunkelheit. Der Mond ging erst frühmorgens auf. Das Rauschen des Baches deckte alles zu. In einsamer Nacht, und auf verlorenem Posten.
    Wolzow rief die Losung, noch ehe seine Schritte laut geworden waren. »Was Neues? Nein? Es ist gleich eins.« Er stand regungslos. »Böhm hat sich hingelegt. Ich geh jetzt mal zum dritten Zug. Wenn was ist … schießt lieber zu früh als zu spät.«
    Die Nacht sog ihn auf.
    Es wurde empfindlich kalt. In der Dunkelheit leuchtete nun blaß der weiße Nebel, der aus dem Bach stieg und langsam überdie Wiesen kroch. Gomulka flüsterte an Holts Ohr: »Ich hör was!« Holt starrte in die Nacht. »Dort vorn!« Holt sah und hörte nichts. Gomulka hob das Gewehr.
    »Warte!« Holt ging langsam den Weg entlang. Er dachte: Das ist falsch, da kann Sepp nicht schießen. Aber er ging doch weiter. Endlich blieb er stehen und lauschte. Nichts. Nur der Bach rauschte. Holt drehte sich um und horchte nach Süden über die Wiesen hin. Nichts.
    Ein klirrender Schlag traf seinen Helm, glitt ab, traf die Schulter, warf ihn hin, im Fallen drehte er sich um sich selbst, dann traf ein zweiter, kraftvoller Kolbenschlag seinen Körper. Der Klang einer gewaltigen erzenen Glocke dröhnte in seinen Ohren, hob ihn hoch über das Tal, bis er das einsetzende Schießen nur noch von fern vernahm, das Geschrei der Kämpfenden, das Brüllen Wolzows, der den dritten Zug auf der Brücke in einen Feuerhagel hineinführte. Aber das alles war schon ausgelöscht. Ein großes, warmes Glücksgefühl erfüllte ihn.

 
    5
     
    Heftiges Stoßen und Schaukeln löste unerträgliche Schmerzen aus. Holt stöhnte. Er drehte den Kopf zur Seite. »Lieg still!« sagte Wolzow barsch. »Dir haben sie wahrscheinlich etliche Rippen eingeschlagen.« Holt lag auf einem Lastwagen. Neben ihm röchelte jemand. Er schloß wieder die Augen. Sein Kopf schmerzte, als wolle er zerspringen. Er wußte nicht, was geschehen war. »Wo ist Sepp?« fragte er schwach. – »Auch hier. Hat einen Schuß im Arm. Mir ist einer durch die Wade gegangen. Durch die Hand ein Bajonettstich. Lieg still, wer weiß, was bei dir alles kaputt ist!« Holt wälzte sich auf die schmerzende Seite. So lag er besser. Das Röcheln neben ihm war grauenhaft.
    Der Wagen erreichte bald einen Verbandplatz. Dort nahm man die Verwundeten nicht an. Auch der Hauptverbandplatz wollte nichts von ihnen wissen und schickte sie fort. Der Wagen fuhr weiter, immer weiter. Das Röcheln neben Holt verstummte. Ersttief in der Nacht erreichten sie eine Stadt. Dort wurden sie ausgeladen.
    Holt wurde am Morgen geröntgt. »Schreiben Sie: Röntgenaufnahme linkes Schultergelenk. Das Acromion zeigt eine Infraktionslinie ohne irgendeine Dislokation …« Und weiter: »Röntgenbefund Thorax. Zwerchfelle glatt konturiert, Herz normal konfiguriert, Fraktur dritte, vierte und fünfte Rippe im Bereich der hinteren Axillarlinie ohne nennenswerte Dislokation …« Er wurde hinausgefahren und fand sich in einem Bett wieder, in einem richtigen, weißbezogenen Bett. Das Zimmer war klein. Eins der drei Betten war leer, in dem anderen lag ein hohlwangiger, älterer Mann. Man sah durch das geöffnete Fenster in den Garten.
     
    »Das ist hier schon Protektorat, Kumpel«, sagte der Mann, »hier kannst du ganz ruhig schlafen!« Holt war stark benommen. Am Abend stand eine junge Schwester in heller Tracht an seinem Bett und fragte: »Wie alt sind Sie?« – »Bald achtzehn.« – »Also siebzehn!« rief sie teilnahmsvoll. »Haben Sie Schmerzen?« Er drehte den Kopf zur Seite und sah hinaus in den dunklen Abendhimmel.
    Später kam sie abermals und gab ihm eine Injektion in den Unterarm. »Morgen sieht alles schon wieder ganz anders aus!« – »Wie heißen Sie?« flüsterte Holt. – »Schwester Regine. Aber jetzt wird geschlafen!«
    Am anderen Morgen, nach der flüchtigen Arztvisite, humpelte Wolzow durch die Tür, guter Laune wie lange nicht mehr. Er hatte die Hose über das Nachthemd gezogen, das linke Hosenbein war abgeschnitten. »Wie geht’s, alter Krieger?« Er setzte sich zu Holt aufs Bett. »Bei mir ist alles wie geölt durch die Glieder gerutscht, saubere Fleischwunden, der Himmel verläßt die alten Krieger nicht! Der Chefarzt wollte mich gar nicht hierbehalten, ich sollte ins Garnisonsrevier, da hab ich eben ein bißchen simulieren müssen!«
    »Simulieren?« rief der Mann in der Ecke und richtete sich auf.

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