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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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versucht, das alles zu vergessen.Immer wenn ich es vergessen hatte, ist etwas Neues geschehen. Es läuft mir nach, es drängt sich mir auf, ich bin mittendrin, ich komm nicht mehr frei. Jetzt gibt es kein Ausweichen mehr. Ich kann nicht mehr zurück. Ich muß durch die sieben Höllen. Eher ist nicht Schluß, eher gibt es keine Ruhe, kein Vergessen.
    Ich
weiß
es nicht nur, dachte er, sondern: Etwas davon ist auch in mir. Etwas? Ich mach alles mit. Wenn Böhm befohlen hätte: Erschieß sie!, ich hätte sie erschossen. Wenn der gleiche Befehl morgen wieder kommt … ich würde sie erschießen.
    O mein Gott!
    Aber der sie erschossen hätte, grübelte Holt, der wär nicht ich gewesen. Ich hatte ja Lessers Befehl, in der Nacht, ich hab ihn nicht ausgeführt, ich hab sie laufen lassen, ich hab auch die Russen in Schutz genommen, damals. Der da im Geist schon visiert hat: zwischen den Schultern, etwas links, der bin nicht ich gewesen. Doch wir beide, er und ich, wir werden weitermachen, wie das Gesetz es befiehlt. Geradeaus schauen, irgendwohin, und vorwärts, marsch!
    Vielleicht muß das so sein … damit wir endlich wir selbst werden. Vielleicht muß es so sein, daß alles dies erst über uns selbst kommt: Elend, Zerstörung, Qual und Tod, in den Bombennächten, und nun wohl bald überall, im ganzen deutschen Land. Er lag im Dämmerschlaf.
     
    »Wo ist Sepp?« fragte Holt. »Wo ist Christian? Was war überhaupt los? Gilbert, wo hast du den Bajonettstich her?«
    Wolzow kaute, er sagte mit vollem Munde: »Sepp ist auch hier. Christian? Der wird halt irgendwo rumkrebsen, froh und munter, der überlebt uns alle, den hat der Schmiedling unsterblich gemacht, von wegen ›Leiche‹. Ich war mit ihm bis zuletzt zusammen. Ich hätt ihm nie zugetraut, daß der mal so ein eiskalter Hund wird.« – »Wie sind wir in den Lastwagen gekommen?« – »Das war so: Die Doppelposten fielen ohne einen Schuß. Schon waren sie im Dorf. Als die Knallerei losging, war ich beim dritten Zug. Wir sind gerannt, was wir konnten. Als wir am Bach waren, da hatten sie im Dorf schon alles überwältigt, nur aus einem Gehöft hat esnoch ein bißchen geschossen. Sie haben uns nicht über den Bach gelassen. Wir haben es zweimal versucht, aber sie haben uns zusammengeschossen. Auf der Brücke hab ich auch mein Ding verpaßt bekommen, durch den Stiefel. Sind wir also in die Sägemühle, noch einundzwanzig Mann.« – »Und der erste Zug?« – »Der hat draußen auf der Wiese gelegen und hat zugeschaut. Wir haben die Mühle verteidigt. Ich hab einen Melder losgeschickt, zum ersten Zug, über die Wiesen, später noch einen, aber keiner ist durchgekommen. Wir haben die ganze Nacht gekämpft. Zweimal waren sie bis im Hof und einmal schon im Korridor, da mußten wir sie mit dem Seitengewehr zurückwerfen, Vetter ganz vorneweg, wie ein Wilder. Wir haben uns geschlagen wie die Berserker, für keinen Kampfauftrag, für keinen Zweck,
nur
, damit sie uns nicht dort schnappen, wo unten noch die ganze Sauerei herumlag. Das hab ich den Leuten vorher gezeigt. Hier, hab ich gesagt, jetzt wißt ihr, daß ihr bis zum letzten Tropfen Blut kämpfen müßt! Haben sie auch getan. Aus Angst! Als es hell wurde, haben wir zwar besser gesehen, aber da haben sie uns an den Fenstern abgeschossen, daß man hätte seine helle Freude dran haben können, so gute Schützen waren dort dabei. Bei uns wurde die Munition knapp. Zuletzt waren noch neun Mann kampffähig. Ich hab nur immer überlegt, was ich mach, daß sie mich nicht in der Mühle erwischen. Schließlich kam eine Lastwagenkolonne von Osten den Talweg entlang, da fuhren als Bedeckung drei Schützenpanzer mit, Panzergrenadiere drauf, MGs und eine Zweizentimeter, die haben sämtliche Gehöfte in Klump geschossen und uns aus der Mühle rausgeholt, sozusagen in letzter Minute. Der erste Zug hat unterdessen in den Löchern gelegen und hat es knallen lassen, weil sie keinen Befehl hatten, stell dir so was vor! Als es hell wurde, wollten sie ins Dorf, aber auf dem offnen Gelände ist der Angriff natürlich liegengeblieben. Als die Panzergrenadiere kamen, sind die Partisanen in die Wälder. Es waren höchstens dreißig Mann, aber alles Scharfschützen. Nun hör dir an, was dem Sepp passiert ist. Er ist mit einem Schuß im Arm in das ausgebrannte Gehöft gekrochen und hat sich im Keller versteckt. Über ihm in der Ruine haben die Partisanen ein MG aufgebaut und zu uns in die Mühlegefunkt. Und die ganze Nacht hindurch haben sie die

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