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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Er war schrecklich abgemagert. »Und er hat’s nicht gemerkt? Ich denke, die Ärzte merken es immer, wenn einer simuliert?«
    »Ach wo«, sagte Wolzow. »Ich weiß Bescheid, die Frage ist ausführlich untersucht worden, schon im Weltkrieg und noch früher,steht alles in Peltzers ›Kriegslazarett-Studien‹, glaub ich, oder in Frölichs ›Militärmedizin‹, ist ja egal. Ich hab gesagt, ich könnte mich nicht erinnern, wie das alles passiert wär, ich hätte plötzlich dagelegen und immerfort gebrochen, auch auf der Fahrt hätt ich noch alles vollgekotzt, und so benommen wär mir, und dann hätt ich fürchterliche Kopfschmerzen, aber wenn ich ganz ehrlich sein soll: ein bißchen hätten sie schon nachgelassen, die Kopfschmerzen! Da hat er natürlich die Diagnose auf schwere Gehirnerschütterung stellen müssen, mindestens einundzwanzig Tage Bettruhe, was blieb ihm denn anderes übrig?«
    Holt mußte lachen, aber das Lachen schmerzte in der Brust. »Wenn er dich hier erwischt!« Wolzow schüttelte den Kopf. »Sind ja bloß zwei Ärzte hier, die operieren jetzt. Der Chef operiert für sein Leben gern; wenn es was zu operieren gibt, dann nimmt er jeden auf! Das ist doch kein Lazarett hier, das ist ein ganz gemütliches Kreisspital.«
    Schwester Regine trat ins Zimmer. »Wolzow«, schalt sie. »Durch das Haus laufen, das gibt es nicht! Sofort ins Bett!« – »Schwester«, sagte Wolzow, »wir sind ganz alte Schulfreunde, ich kriech dort in das freie Bett!« Sie zögerte einen Augenblick, dann lächelte sie. »Schön. Da machen wir eben eine Kinderstation auf.« Wolzow empörte sich: »Kinderstation! Von wegen …« Sie befahl: »Sofort hinlegen!« Sie gab Holt eine Tablette. »Gegen die Schmerzen.«
    »Wie hab ich das gemacht?« fragte Wolzow. Der Hohlwangige in der Ecke aber sagte aufgeregt: »Hör mal, Kumpel, also weißte denn noch mehr solche Sachen, die was die Ärzte nicht rauskriegen?« Wolzow war zurückhaltend. »Da müßte ich erst mal wissen, wie alt du bist und bei was für einem Haufen.« – »Landsturm«, sagte der Mann, »bis dreiundvierzig war ich g. v. H., dann haben sie mich bedingt k. v. geschrieben. Ich war in Prag bei der Korpskommandantur, da sollte ich auf einem Gut in der Slowakei ein Schwein abholen, ein gemästetes, für den Korpsintendanten, die Sau, die hab ich mit’m Opel-Blitz geholt, da haben sie mich zusammengeschossen, auf der Straße, grad als das dort losging. Das Schwein war auch hin. Hier ist es wie im Himmel, Kumpel! Es war ein glatter Lungenschuß, aber in drei Tagen werd ichentlassen, das ist furchtbar, denn der Korpsintendant soll so getobt haben, weil das Schwein hin gewesen ist, daß er mich wird an die Front schicken lassen. Ich heiße August Meier, bin dreiundfünfzig Jahre alt, evangelisch, verheiratet und hab vier Kinder. In der Partei bin ich aber nicht, weil ich früher Sozi war.«
    »August Meier!« sagte Wolzow und lachte laut. »Ausgerechnet August Meier, da ist deinen Eltern wohl nichts Gescheiteres eingefallen, was? Also, alter Sozi oder was du da warst, Stahlhelm, Volkspartei, war ja alles dasselbe, wenn du vierzig wärst, dann wüßte ich ja nichts, da würde ich dich an die Front jagen, aber mit dreiundfünfzig und vier Kindern, da will ich mal nicht so sein, da werd ich dir eine Blinddarmentzündung verpassen! Den Blinddarm hast du doch noch? Gut. Du mußt nach der Operation die Sache schön in die Länge ziehn, da kann man die Wunde eitern lassen und so, ich erklär dir das alles. Du hebst dir sofort alle Butter auf, du brauchst mindestens ein Viertelpfund …« – »Hab ich«, sagte Meier, »sogar mehr, ich schick sie immer nach Hause.« – »Da kannst du ja schon heute nacht operiert werden! Paß auf! Du bekommst plötzlich Leibschmerzen, aber gräßliche! Du stöhnst und verziehst das Gesicht, so sehr du kannst, du hast ganz furchtbare Bauchschmerzen, und sie haben wie der Blitz aus heitrem Himmel angefangen …«
    »Aber wenn das so sehr weh tut«, sagte Meier mit verzerrtem Gesicht, »dann ist es vielleicht nicht das richtige …« – »Du bist dämlich!« rief Wolzow, »Mensch, es tut ja gar nicht weh, du tust doch bloß so, als ob es weh tut!« – »Ja, richtig!« sagte Meier. Wolzow fuhr fort: »Grad wolltest du sehn, wie spät es ist, ob es schon Zeit zum Schlafen ist, da war es dreiviertel neun oder so, das wirkt immer sehr überzeugend, wenn man die Uhrzeit noch weiß. Und der ganze Bauch tut dir weh, nicht bloß rechts, vor allem in der Mitte,

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