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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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gehört haben, von wegen schön beruhigend, sonst gibt’s nichts mehr, das war Eukodal!« Wie sie an seinem Bett stand, im letzten Tageslicht, erschien sie ihm ganz traumhaft und unirdisch, in der hellen Tracht, mit dem Häubchen auf dem blonden Haar. Er schaute sie an, schweigend, er dachte: Wenn es Gerechtigkeit gibt auf der Welt, dann wird auch hinter ihrem Rücken einmal einer stehen und wird visieren: zwischen den Schultern, etwas links.
    »Schwester Regine …«, sagte er, »Sie sind doch ein … guter Mensch, bestimmt …« Sie lächelte. »Was soll das?« Er sagte: »Aber es wird über uns alle kommen, auch über Sie.« Sie neigte den Kopf, dann setzte sie sich zu ihm auf die Bettkante. »Was reden Sie!«
    Er sah an ihr vorbei. Vor seinem Blick verschwammen die Konturen des Fensters in der Dämmerung. »Ein Mädchen … wie Sie«, sagte er, »genauso jung, eine Slowakin, auch blond … in der Notwehr hat sie einen von uns totgeschlagen … er wollte sie vergewaltigen. Dafür sollte sie erschossen werden. Wenn ich den Befehl bekommen hätte … dann hätte ich es getan.«
    »Aber … Sie haben es doch nicht getan«, sagte sie leise. »Da können Sie doch ruhig schlafen.«
    »Ich hab sie sogar laufen lassen«, sagte Holt kaum hörbar. »Aber das zählt nicht. Denn ich hab gewußt, daß es nicht rauskommt, sonst hätte ich nicht den Mut gehabt … Was ist das?«
    Sie saß lange stumm. Dann sagte sie: »Versuchen Sie doch … zu beten!«
    Er antwortete nicht. Er schüttelte den Kopf. Schicksal, Vorsehung, Gott … Es regte sich in ihm wie Auflehnung: Ich will keinen Gott! Die Menschen müssen daran schuld sein, vielleicht weil sie unvollkommen sind oder wer weiß warum. Gott soll nicht schuld sein, sonst wär’s zum Verzweifeln!
    Sie stand in einem plötzlichen Entschluß auf und holte die Spritze, nahm seinen Arm und stieß ihm die Nadel unter die Haut.
    Er wurde rasch müde. »Ich hab eine Bitte, Schwester Regine. Kann morgen nicht Sepp Gomulka in Meiers Bett?« – »Der Oberarmdurchschuß?« Sie nickte. »Aber nun müssen Sie schlafen.« Sie redete beruhigend auf ihn ein. »Es soll ein Lazarettzug durchkommen. Er geht bis ins Reich. Ich will versuchen, daß Sie mitgeschickt werden.« Er lag mit geschlossenen Augen. Sie strich ihm mit der Hand über die Stirn. Er hörte im Einschlafen noch die rauhe Stimme Wolzows, der Meier wieder ins Bett steckte.
     
    Am anderen Morgen lag Gomulka tatsächlich am Fenster, das Gesicht mit Pflastern beklebt, den Arm verbunden. Auf Holts Fragen gab er einsilbig Antwort. Wolzow, der hier seit dem Urlaub das erstemal wieder etwas wie gute Laune zeigte, sagte: »Meier ist operiert! Der Chef hat sich das nicht entgehen lassen.« Holt döste vor sich hin. Erst am Abend, als die Dämmerung ins Zimmer kroch, erwachte er aus seiner Lethargie. Schwester Regine trat ihren Dienst an und fragte: »Wie steht’s auf der Kinderstation?« Sie kümmerte sich nicht um Wolzows Protest, sie lachte und lehnte sich mit dem Rücken gegen das offene Fenster. Holt fragte: »Was Sie gestern gesagt haben, von einem Lazarettzug, ist es wirklich wahr?« – »Wir erwarten ihn schon morgen«, sagte sie. »Sie dürfen mit. Ich hab schon die Unterschrift.« – »Aber wenn Sepp und Gilbert …« – »Ich hab mir’s gedacht. Bei Ihnen, Wolzow, hat der Doktor ein bißchen die Stirn in Falten gezogen, dann hat er aber doch unterschrieben. Ich soll Sie alle in eine Kinderklinik überweisen.« Sie lachte abermals. Wolzow knurrte: »Die paar Jahre, die Sie älter sind als wir!«
    Gomulka sagte auf einmal von seinem Bett her: »Daß wir hier wegkommen, daß es uns überhaupt wieder so gut geht, das haben wir gar nicht verdient!« – »Verdient?« Wolzow lachte. »Du hast wohl Fieber! Seit wann geht denn so was nach Verdienst? Beziehung braucht man! Diesmal hat der Werner die Beziehungen. Wenn es um Weiber geht …« – »Gilbert!« rief Holt böse. Wolzow fuhr ungerührt fort: »Sieht doch ein Blinder, Schwester, wie der Holt Sie mit Schmus eingewickelt hat!« Sie stützte sich mit beiden Händen rücklings auf das Fensterbrett und lachte, daß ihreZähne blitzten. »Paßt es Ihnen nicht, wenn ich Holt ein bißchen vorzieh? Ich zieh immer einen vor. Er brüllt ja auch nicht so rum wie Sie und ist nett, nicht so ein Landsknecht wie Sie!«
    »Mit richtigen Schlafwagen reist ihr«, sagte sie am anderen Tag und packte die Sachen zusammen. »Ich wünschte, ich könnte mitkommen, aber ich darf noch nicht weg,

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