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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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heran, es schneite, Schneesturm heulte um die Hausecken. Anderen Tages stand ein frostklarer Himmel über der Landschaft. Der Winter trotzte dem fortschreitenden Jahr.
    Und nun war also Wolzow gekommen! Er zog einen Stuhl heran, öffnete die Überkleidung und zeigte die Schulterklappen eines Unteroffiziers. »Werner … alter Krieger!« Er war ganz der Alte und doch verändert, gealtert: die Augen lagen tief in den Höhlen, das starke Kinn schob sich vor, die Kaumuskeln an den Kiefern waren wulstig erstarrt. Auch Vetter war da. Er war noch hagerer, fast mager geworden und rief: »Haste’s überstanden? Beeil dich!«
    Sie kamen aus der Kaserne. Wolzow erzählte. Breslau war seit langem eingeschlossen, lag schon weit hinter der Front. Nach dem Rückzug über die Oder hatte man sie mit einer Alarmeinheit vergebens und sinnlos gegen den Brückenkopf anrennen lassen. Angriff auf Angriff war liegengeblieben. Dann brachen die Panzer aus dem Brückenkopf. Die zertrümmerten Truppen schlugen sich mit der aufgesessenen Infanterie, wurden geworfen. Schließlich schickte ein Auffangkommando Wolzow und Vetter nach hinten.
    »Ein Hauptmann war das«, sagte Vetter. »Hat festgestellt, daß wir eigentlich noch gar nicht fertig ausgebildet waren, so was!« Wolzow sagte: »Hab mir’s gefallen lassen. War ziemlich scheußlich. Immerfort Nahkampf.« Wolzow sagte »scheußlich«? … »Sind wir zu Wehnert zurück.«
    In der Kaserne fanden sie alles beim alten. Ausbildungsdienst, Revetckis Gebrüll, Wehnerts Unterricht. »Eines Morgens«, erzählte Wolzow, »kommt Wehnert: ›Meinen Glückwunsch, Unteroffizier Wolzow!‹ Meine Offizierslaufbahn sieht also gesichert aus. So schnell wird selten einer ohne Schule befördert. Wehnert hat gesagt, am besten, ich meld mich gleich wieder an die Front.Hab ich mich also gemeldet.« Vetter: »Ich bin natürlich mitgegangen.«
    »Jetzt sind wir auf dem Weg nach vorn«, sagte Wolzow. Er rekelte sich auf dem Stuhl. »Wann bist du wieder soweit? Am besten, du kämst gleich mit! Die Russen machen unerhörten Dampf!«
    Jetzt wurden aus allen Betten Fragen laut, ängstliche, verzweifelte Fragen. Wolzow war bis obenhin voll Neuigkeiten. »Die Amis überall am Rhein, Koblenz muß jede Stunde fallen …« – »Aber das Bein macht’s noch nicht richtig, Gilbert …« – »Beeil dich!« sagte Wolzow.
    Noch einmal verstrich eine Woche, dann war Wolzow wieder da. Eine unruhige, beängstigende Nacht war vergangen, die Verwundeten hatten kein Auge zugetan; die ferne Kanonade war näher und näher gerückt, bis sich das helle Krachen der Panzerkanonen deutlich vom dumpfen Grollen der Feldartillerie abhob … Als es hell wurde, drang Wolzow ins Zimmer, ungeachtet des Gezeters, das ein paar Schwestern erhoben. Er war verdreckt und band erst an Holts Bett den Helm ab. »Die Russen!« Der Schwerverwundete, der am vergangenen Tag operiert worden war, stöhnte im Fieber. Die anderen lagen vom Schreck gelähmt in den Betten. Wolzow rief: »Panzer sind durchgebrochen! Burgkert holt schon bei der Verwaltung deine Papiere raus.« Eine Schwester protestierte: »Ohne Untersuchung und …« – »Los, Werner!« Holt kleidete sich an. Es mußte gehen.
     
    Vor dem Lazarett hielt eine Zugmaschine mit einer 7,5-Zentimeter-Pak. Der Oberfeldwebel war schwer alkoholisiert und rief: »Geht’s wieder?« Die Zugmaschine, mit acht Mann besetzt, rollte los.
    Überall sah Holt die Zeichen völliger Auflösung. Stäbe und Verwaltungen bewegten sich fluchtartig nach Westen. Reste zerschlagener Fronttruppen rissen vorrückende Alarmeinheiten in den Strudel des Rückzuges. Durch dieses Chaos schob sich die Zugmaschine mit aufheulendem Motor. Bald zitterte die Luft im Lärm herannahender Panzer. Sie brachten die Pak in Stellung, aufeinem verschneiten Hügelkamm. Die Panzer stießen die Chaussee vor, weit hinter der Front, mit aufgesessener Infanterie. Wolzow feuerte auf kurze Entfernung. Die Panzer schwenkten von der Chaussee und nahmen ohne Zögern die Pak an. Die Panzerkanonen brüllten, die Pak fiel in Schweigen. Flucht hinter den Hügelkamm. Ein T 34 lag brennend auf dem Acker. Die Panzer schwenkten auf die Chaussee zurück. Mit der Zugmaschine nach Norden flohen sechs Mann, denen noch alle Glieder zitterten, und einer davon war schwer verwundet.
    Ein einzelnes Schlachtflugzeug stieß vom grauen Himmel herab und machte Jagd auf die Maschine; sie sprangen ab und rannten zum Wald, hinter ihnen flog das vollgetankte Fahrzeug in die Luft.

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