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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Sie wanderten durch Wälder und verlassene Bauerndörfer, bis sie endlich auf versprengte Truppen stießen, Feldgendarmerie und SS. Gerüchte: »Der Russe steht vor Görlitz!«
    Burgkert brachte Papiere. Er mußte bleiben. Von Sagan fuhr ein überfüllter Zug nach Cottbus, voller Flüchtlinge und Verwundeter. In Cottbus schickte sich die SS an, die drei in die nächste Alarmkompanie zu stecken und wieder nach vorn zu schicken. Aber Holt mit seinen Lazarettpapieren erhielt auf der Kommandantur für alle drei Marschbefehle.
     
    In der Kaserne saßen die Nachkommandos auf gepackten Koffern. Zwei Kompanien waren nach Mitteldeutschland verlegt worden. Der Ausbildungszug der Stabskompanie unter Wehnert sollte irgendwo hinter der Neiße auf Feldwache liegen. Sie machten sich auf die Suche. Der Zug lag westlich Bautzen in einem Wäldchen und bewachte eine Panzersperre.
    Holt konnte sich kaum noch an Wehnert erinnern. Der Leutnant hatte nichts an Glanz und Wichs und Bügelfalte eingebüßt; nur ein wenig nervös war er geworden und rückte oft das Koppel, die Mütze zurecht … Wolzow knallte die Hacken.
    Die Panzersperre war noch geöffnet. Zwischen dem nahen Wald und einem fernen Hügelrücken zog sich ein System von Feldstellungen hin, Erdbunker und Laufgräben. Im Wald gab es eine Baracke. Der Zug kampierte in den Bunkern und Gräben.Tag und Nacht standen Doppelposten an der Panzersperre. Von Osten her schob sich tagaus, tagein der Flüchtlingsstrom über die Chaussee nach Westen, Greise, Frauen und Kinder, zurückgehende Stäbe, fliehende Parteileute. Die Posten kontrollierten die Marschpapiere. Ein paar Kilometer weiter zurück lag ein Kommando Feldgendarmerie.
    Revetcki war mit der Genesenenkompanie an die Front geschickt worden. Boek führte die erste Gruppe, er schrie und tobte nicht mehr, sondern spielte den guten Kameraden. Die zweite Gruppe übernahm Wolzow. Tauwetter setzte ein, es wurde Frühling. Die Gräben füllten sich mit Schlamm und Wasser. Der Verpflegungsnachschub setzte aus, man hungerte.
    Eines Abends riefen die Posten nach Wolzow, dessen Gruppe an der Sperre Wachtdienst hatte. Ein großer, offener Mercedes hielt dort, die Scheinwerfer aufgeblendet. Im grellen Licht stand breitbeinig Vetter, die Maschinenpistole angeschlagen. Der zweite Posten stand am Fond. Der Fahrer saß in die Polster gelehnt und rauchte. Drei Offiziere, ein Oberstleutnant und zwei Majore, brüllten durcheinander, in einem schnarrenden Jargon. Einer der Majore, ein hagerer Mann mit Nickelbrille und Geiergesicht, stand neben dem Fahrer, nach vorn über die Windschutzscheibe gebeugt. Wolzow hob grüßend die Hand. »Herr Major?« Vetter kratzte sich mit der freien Linken im Genick und rief unverschämt: »Die haben keine Papiere! Türmen wollen die!« Nun brüllte auch der Oberstleutnant. Da kam Wehnert. »Leutnant! Endlich!« Der Major riß den Schlag auf. Leutnant Wehnert stand im Scheinwerferlicht und grüßte. Der Major redete auf ihn ein. Wolzow beobachtete die Szene mißtrauisch. Der Oberstleutnant gestikulierte, dann stieg er befriedigt in den Wagen. Wehnert befahl: »Geben Sie den Weg frei!«
    Wolzow zögerte, aber schließlich machte er einen Schritt zur Seite. Auch Vetter trat an den Straßenrand und warf die Maschinenpistole über die Schulter. Der Wagen stob mit aufheulendem Motor davon. Wehnert ging wortlos zur Baracke zurück. Später sagte er versöhnlich: »Wolzow, in so einem Fall gehört es sich, daß …« Wolzow unterbrach den Vorgesetzten schroff: »Die dreiHerren vorhin, das wette ich, die sind getürmt!« Wehnert ließ sich den herausfordernden Ton gefallen. »Die Lage kann es erfordern, daß sich der Offizier als der wertvollste Mann aufspart …« – »Die Lage!« rief Wolzow und schnob durch die Nase. »Die Lage erfordert Kampf bis auf den letzten Mann!« – »Aber nehmen Sie sich doch zusammen!« sagte Wehnert. – »Zusammennehmen? Wissen Sie, was ich nehmen werde, Herr Leutnant? Einen Strick werde ich nehmen! Und wenn ich in Zukunft noch jemanden türmen sehe, dann ist die Kugel zu schade! Dann hol ich den Strick raus, dann zieh ich die Lumpen eigenhändig an der Laterne hoch!« Er war bei den letzten Worten zur Tür gegangen, dort schrie er: »Ich halt mich an den Führerbefehl: Kampf bis zum letzten Blutstropfen! Vorhin hab ich’s nicht beweisen können, sonst hätt ich bloß dem Vetter gewinkt, der hat da gar kein Gewissen, Herr Leutnant … Uns macht das nichts aus, jemanden den Tod in Schande zu

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