Abenteuer des Werner Holt
»können wir alles vorbereiten. Dann fahren wir zum Ernteeinsatz. Das ist tatsächlich die beste Art, hier zu verschwinden. Nach drei Tagen kommen wir heimlich zurück, verprügeln den Meißner, und anschließend geht’s los.« Es war alles ganz einfach.
Aber Wolzow meinte: »Die Sache mit Meißner will gut überlegt sein; du weißt ja, Überfall auf einen HJ-Führer, das kann uns übel bekommen.« – »Er muß aber wissen,
warum
wir ihn verdreschen«, sagte Holt. »Vorsicht«, entgegnete Wolzow, »das macht’s noch gefährlicher!« – »Und dein Onkel?« fragte Holt. »Kann der uns notfalls nicht beistehn?« – »Wo denkst du hin!« rief Wolzow. »Onkel Hans ist seit dreißig in der Partei, als deutscher Offizier würde er so was nicht dulden. Nein, wir müssen uns schon selber helfen.« – »Wenn wir was in die Hände bekämen«, meinte Holt, »was Schriftliches, ein Geständnis, das ihn unmöglich macht, falls er nicht den Mund hält!« Wolzow überlegte wieder. »Gute Idee«, sagte er dann, »ich laß mir’s durch den Kopf gehen.«
Sie bereiteten sich auf die Verabredung am Rabenfelsen und zugleich auf den anschließenden Nachtmarsch zur Höhle vor.
Sie packten die Pistolen ein, Munition, Taschenlampen, die Karte, einen Laib Brot und zwei Büchsen Fleisch. Jeder hing eine zusammengerollte Zeltbahn um.
Der Rabenfelsen lag nahe der Stadt, hinter der Bismarckhöhe. Sie liefen zwischen Lauben und Gärten entlang. »Wir brauchen Gewehre«, sagte Wolzow. »Mit der Pistole kann man keinen Hasenschießen, schon gar kein Wildschwein … Eine Kleinkaliberbüchse muß her, mindestens … Meine ist kaputt. Der Sepp hat eine! Außerdem hat er einen Tirolerstutzen, Kaliber elf Millimeter … oder noch größer. Die Kugeln muß er aus Blei gießen, mit einer Kugelform, die Patronen lädt er mit Schwarzpulver. Es macht einen fürchterlichen Gestank und knallt wie eine mittelalterliche Feldschlange. Aber auf hundert Meter legst du damit jedes Wild um.« – »Den Sepp sollten wir mitnehmen«, sagte Holt. »Er hat die Schule genauso satt wie wir.«
Der Rabenfelsen bestand aus bizarr aufeinandergetürmten Basaltbrocken. Die Sonne warf seinen Schatten bis an den nahen Waldrand.
Gomulka begrüßte sie. Vetter hielt sich mit Zemtzki abseits. »Halt dich zu uns, Sepp, wenn der Zauber vorbei ist«, sagte Wolzow.
Zemtzki teilte feierlich mit, daß Vetter jede Versöhnung ablehne. »Er will kämpfen.«
Gomulka hatte auf der Wiese einen Kreis abgesteckt. Wolzow zog das Hemd über den Kopf, zog auch die Breeches und die Stiefel aus und stand schließlich barfuß, in der Badehose, im Gras. »Wollt ihr wirklich?« fragte Gomulka, plötzlich ganz ernst. Wolzow trat schon in den Kreis. Auch Vetter trug nur die Turnhose. Holt fuhr ihn an: »Du bist ein Rindvieh, Mensch, du bist selbst schuld, wenn dir …« – »Wenn du mich beschimpfst, mußt auch du mit mir kämpfen«, unterbrach ihn Vetter. Er klapperte mit den Zähnen. Als er gleichfalls in den Kreis trat, schielte er argwöhnisch auf Wolzow, der gelassen wartete, einen halben Kopf größer als Vetter, Arme, Brust und Schultern mit Muskeln bepackt. Vetters Körper war schwammig, rosig, ein wenig gedunsen.
Gomulka hielt Vetter ein HJ-Fahrtenmesser hin. Auch Wolzow erhielt einen Dolch. »Stellt euch in den Kreis, Gesichter abgewandt!« – »Und wer trägt Vetters Leiche nach Hause?« fragte Zemtzki. »Ich bin doch als Sekundant nicht etwa verpflichtet, ihn auch noch …« – »Still!« rief Gomulka. »Wenn ich sage ›los‹, dreht ihr euch um und kämpft, ohne weiteres Kommando. Wer den Kreis verläßt, hat verloren. Sonst bis zur Kampfunfähigkeit. DasKommando lautet ›Achtung … fertig … los!‹ Das Kommando gilt: Achtung … fertig …« – »Ich kämpfe nämlich für meine Sippe!« rief Vetter verzweifelt. Er war blaß, und seine Knie zitterten. »Halt den Mund«, sagte Wolzow, »Sepp, gib endlich das Zeichen!« Holt sah, daß Wolzow wütend war. »Los!« rief Gomulka.
Beide drehten sich um und gingen langsam aufeinander zu, Wolzow ruhig und entspannt, aber Vetter watschelte unbeholfen daher, fuchtelte mit dem Dolch in der Luft herum und sagte vor Aufregung immerfort: »Los … los … los …« Auf einmal warf Wolzow das Messer weg, Vetter erschrak und stieß mit dem Dolch nach ihm, Wolzow wich mit einem schnellen Schritt zur Seite und gab Vetter eine so gewaltige Ohrfeige, daß der dicke Junge rücklings zu Boden fiel. Über Wolzows Arm rann Blut. Das alles
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