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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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nichts, sagt er. Sie prügeln ihn jeden Tag, aber die Ehre seiner Sippe steht über allem. Gut, was? Ich hab gesagt, wenn er sich nicht mit dir schlägt, gilt er überall als Feigling.« – »Der soll Ruhe geben«, sagte Holt. – »Er hat sich was Neues ausgedacht, wo er bessere Chancen hat als im Boxen. Er will sich mit Fahrtenmessern stechen.« Wolzow lachte. »Das hat er bei Karl May geklaut!« – »Dreschen will er sich nicht«, meinte Zemtzki, »weil ihn sein Vater gestern erst mit ’m Ochsenziemer verhauen hat. Aber er will die Ehre seiner Sippe mit deinem Blut abwaschen.«
    Gomulka lächelte.
    »Gilbert nimmt die Forderung an«, meinte Holt. »Meinetwegen sechs Uhr am Rabenfelsen. Sag dem Vetter folgendes: Gilbert ist das in der Erregung rausgerutscht. Das muß genügen. Messerstecherei ist ein bißchen übertrieben.« Aber Wolzow rief: »Nachher denkt er, ich hab Angst!«
    »Vetter wird von allen gehänselt«, sagte Gomulka nachdenklich. »Zu Hause ist er der Prügelknabe, ihr habt keine Ahnung, was dort manchmal los ist! Er ist richtig verbittert, und die Erklärung lehnt er ab, das weiß ich jetzt schon.«
    »Mir macht es nichts aus«, sagte Wolzow gleichmütig. »Jetzt raus mit euch, ich hab keine Zeit.«
    Sie packten die letzte Kiste aus, und die Halle füllte sich mit Ausrüstungsgegenständen. Ein Koffer enthielt Pistolenmunition aller Kaliber, und schließlich packte Wolzow Zigarren aus, fünfundzwanzig Kisten vielleicht, duftende Zigarren. Er entdeckte die Brieftasche seines Vaters. Sie enthielt etwas mehr als dreihundert Mark.
    Er spielte wieder mit der Walther, nachdenklich, den Kopf auf die Seite gelegt. »Ich hab mir die Sache mit dem Meißner durchden Kopf gehen lassen. Daß ich heute im Dienst vor jedem Scharführer strammstehen muß, das verdanke ich ihm. Eigentlich wär da längst eine Abreibung fällig. Ich mach also mit. Aber es muß bald sein, denn in acht Tagen rückt er ein. Ich hab Stammführer Wurm getroffen, der führt mit dem Barth unser Erntekommando. Kann ja heiter werden! Also, der Meißner rückt ein.« – »Wenn wir zurückkommen«, sagte Holt nachdenklich, »ist er über alle Berge.« – »Hast du etwa die Absicht, drei Wochen im Ernteeinsatz zu bleiben?« – »Wie meinst du das?« – »Durchbrennen!« – »Wohin?« fragte Holt. – »Das ist es eben … Aber auf jeden Fall hau ich hier ab … bis zur Einberufung.«
    Holt überlegte. »Du kommst nicht weit. Früher war das anders.« Aber nun stieg vor seinen Augen die wilde Landschaft der Berge empor, uferlose Wälder … die Höhle! »Ich wüßte was«, sagte er, heiser vor Erregung. »Ein Versteck …« Und er erzählte.
    »Komm mit hoch«, sagte Wolzow. In seinem Zimmer kramte er Landkarten hervor, Meßtischblätter der Umgebung. »Der Vostrauer Berg kann’s nicht gewesen sein, den kenn ich genau … Zeig mal, wo du langgegangen bist.« Holt studierte die Karte. »Hier … durch die beiden Dörfer … Dann bin ich nach Norden, dann ging’s um einen sehr langen Berg herum westnordwestlich, dann wieder nach Norden …« – »Da bist du viel weiter weggewesen, als du glaubst! Der Vostrauer Berg liegt ganz woanders. Du bist wahrscheinlich um den Breiten Berg und weiter … Steinbrüche gibt’s da hinten viele … Hier muß das gewesen sein … Neben dem Kahlenberg … noch hinter der Bruchspitze … Das sind von hier dreißig Kilometer …« – »Ich bin auf dem Rückweg hart marschiert und doch etwa sieben Stunden unterwegs gewesen …«
    Wolzow saß auf dem Bett und paffte eine Zigarre. »Vor paar Jahren war ich mal dort … Eine verdammt einsame Gegend! Keine Dörfer, nur Wald … In den Bergen hat’s ganz früher Bergwerke gegeben. Wenn jemand von der Höhle wüßte, hätte ich’s bestimmt gehört!« Er ging nachdenklich im Zimmer auf und ab. »Jetzt haben wir Juli. August, September … Da müssen wir’n Haufen Kram mitschleppen!«
    Holt lehnte am Fenster. Nun verschlug es ihm doch die Sprache. Aber dann sah er Wälder, Wolken, Berge … nächtliche Lagerfeuer, Sternenhimmel … Freiheit, Ungebundenheit … großes berauschendes Abenteuer!
    Wolzow studierte wieder die Karte. »Man kann den Weg mächtig abkürzen, wenn man flußaufwärts fährt, mit einem Boot durch den Schwarzbrunn … Das wär auch für’s Gepäck günstig, man könnte einen Kahn den Fluß hochtreideln … Wir sehn uns die Höhle gleich mal an, ja?«
    »Bis Dienstag«, sagte Holt nun, und für ihn war das Abenteuer beschlossene Sache,

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