Abenteuer des Werner Holt
Vetter. »Ich bestimm die Bedingungen. Ich schick dir den Fritz, der ist mein Sekundant.« Zemtzki nickte eifrig. Gomulka drängte sich nach vorn. »Ich bin Unparteiischer.« Nun redeten alle auf Vetter ein. »Laß das, er haut dich zusammen!« Vetter war den Tränen nahe. »Aber meine Sippe … die Ehre meiner Sippe …« Vor der Tür pfiff der Posten.
Maaß trug die Zeugnishefte unter dem Arm. Er schielte über den Rand der Brille hinweg. Auch Wolzow wurde versetzt; seine sehr guten Noten in Turnen und Geschichte hatten ihn gerettet, aber sonst war sein Zeugnis jammervoll. Draußen blinzelte er in die Sonne. »Heut sind ein paar Kisten gekommen, von meinem Vater, der Nachlaß. Wir packen das gleich aus.«
Es war ein drückend heißer Nachmittag. Wolzow und Holt hatten sich bis auf die Badehose ausgezogen und kauten mit vollem Munde. In der Küche war seit Wochen kein Geschirr abgewaschen worden, verdreckte Teller und Töpfe füllten das Spülbecken. Auf dem Tisch häuften sich Tüten und Speisereste, Rotweinflaschen dazwischen, volle und leere. Wolzow holte Werkzeug, klemmte sich eine Rotweinflasche unter den Arm und schob Holt in die Halle. Dort standen drei große Kisten und ein paar Koffer auf dem Teppich. Wolzow riß die Vorhänge auf, durch die Fenster flutete Licht, die Staubteilchen tanzten. »Nimm erst mal ’n Schluck Rotspon.«
Der Rotwein schmeckte, Holt trank aus der Flasche, mehrere große Schlucke. Wolzow warf Kistenbretter in den Kamin, dann packte er Röcke und Hosen aus. Das schlechte Zeugnis geht ihm wirklich nicht unter die Haut, dachte Holt. Sein eignes war gerade noch erträglich ausgefallen, aber Maaß hatte ihm »moralische Unreife und übersteigertes Geltungsbedürfnis« bescheinigt. Bei der Flak interessiert das niemanden, dachte er.
»Hier!« sagte Wolzow. »Na bitte!« Er zog einen Offiziersdolch mit einem Griff von Elfenbein aus der Scheide. »Prachtvoll, was? Aber der Kamin stinkt.« Holt riß ein Fenster auf. Die zweite Kiste war mit Schachteln, Etuis und Packtaschen gefüllt. Eine Aktentasche enthielt Papiere, dicke Stapel Landkarten, in Wachstuch gebundene Hefte, deren Seiten mit einer flüchtigen Handschrift bedeckt waren, ein Kästchen mit Orden und Ehrenzeichen und anderen Kram. »Ich bin der Erbe. Wenn meine Alte so weitermacht, laß ich sie entmündigen.« Er rief: »Sieh her!« Da waren zwei, nein, drei Pistolentaschen. Wolzow öffnete die erste und entnahm ihr eine schwere Schußwaffe. »Mensch …«, flüsterte Holt begeistert, »eine Nullacht!« – »Si vis pacem, para bellum …«, sagte Wolzow, »daher der Name Parabellum.« Er riß das Magazin heraus und öffnete den Verschluß, eine Patrone kullerte über den Teppich. »Und hier … eine siebenfünfundsechziger Walther. Die kenn ich noch nicht.« Er schob Holt die dritte Tasche hin. Holt zog eine kleine Selbstladepistole aus dem Futteral. Er schloß die Hand um den Griff und zog den Schlitten zurück; eine glänzende Patrone sprang heraus. Mit leisem metallischem Geräusch glitt das Schloß wieder nach vorn. Jetzt den Finger krummgemacht … Herr bin ich über Leben und Tod!
»Belgischer Browning«, sagte er, »Kaliber sechsfünfunddreißig. Neben den beiden Kanonen fast’n Spielzeug, aber herrlich!« – »Wenn sie dir gefällt«, sagte Wolzow, der die Walther wieder zusammensetzte, »kannst du sie behalten.« Er lief auf sein Zimmer, holte das ausgestopfte Rebhuhn und stellte es auf den Kaminsims vor die glänzenden Klinker.
Es klingelte. Draußen standen Gomulka und Zemtzki. Holt führte sie in die Halle. Wolzow stieß das Magazin in den Handgriff der Walther. »Kommt rein!« Er hob die Pistole, zielte auf das Rebhuhn und drückte ab. In der Halle krachte der Schuß wie eine Handgranate. Das Geschoß prallte vom Kaminsims ab und zerschmetterte eine große Vase, die keinen Meter neben Gomulka auf einem Tischchen stand. Pulvergeruch breitete sich aus. Gomulka, dem die Scherben der Vase um den Kopf flogen, verzog keine Miene. »Mein Tirolerstutzen hätte den Klinker zerschlagen«,sagte er. Wolzow sicherte die Pistole und legte sie vor sich auf den Rauchtisch. »Du hast Nerven, alle Achtung! Du hast überhaupt allerhand kriegerische Tugenden!« – »Verrückt«, piepste Zemtzki, »knallt mit Kanonen rum, bis es mal ins Auge geht!«
Wolzow holte eine Rotweinflasche. »Setzt euch!« Die Flasche ging reihum. Dann begann Zemtzki: »Vetter ist vor versammelter Klasse beleidigt worden. Für seine Eltern kann er
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