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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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beste, du legst ihn um, Vetter. Oder noch besser: such einen Strick!« – »Jawohl«, schrie Vetter, »einen Strick suchen, Herr Unteroffizier!« Er machte kehrt. Wehnert rief in Todesangst: »Ich verlange ein Gericht! Ich bin Offizier! Sie haben kein Recht! Winkler, so helfen Sie mir doch! … Das ist doch nicht möglich … um Gottes willen!« Er schrie, mit verschwollenem Mund: »Nicht aufhängen!!«
    Vetter brachte eine Wäscheleine.
    Wehnert zitterte. »Der Führer«, sagte Wolzow, »hat befohlen:Wer den Tod in Ehren fürchtet, stirbt ihn in Schande. Hängen wir ihn gleich auf? Winkler?«
    Unteroffizier Winkler schwieg. In seinem Gesicht stand Angst. Aber dann schüttelte er den Kopf. Holt sagte: »Nein!« – »Vetter?« fragte Wolzow. »Aufhängen!« rief Vetter. »Nichts wie aufhängen! Wenn ich dran denk, wie der uns geschliffen hat, dann bloß schnell aufhängen! Draußen, am Birnbaum!«
    Wolzow sagte: »Da werd ich die Entscheidung treffen.« Er sah Wehnert an und zog den Augenblick in die Länge. Wehnert verlor die letzte Beherrschung und flehte stammelnd: »Wolzow … Gnade!« Seine Zähne schlugen aufeinander. Wolzowüberlegte lange. »Was machen wir mit ihm, daß er nicht türmt? Ich bring ihn bei der ersten Gelegenheit zum Regiment, den will ich hängen sehn!«
    Wehnert atmete auf.
    Wolzow überlegte noch immer. Vetter trat zu ihm hin und flüsterte etwas, und Wolzows Gesicht verzerrte sich.
    »Gut.«
    Während Vetter durch den Vorgarten zum Wagen lief, sagte Wolzow: »Der Wehnert wird narkotisiert, damit er nicht türmen kann!«
    Vetter flößte dem willenlosen Leutnant Kognak ein, aus einem Trinkbecher, eine ganze Flasche. Wehnerts Augen wurden glasig. Vetter stieß ihn auf das Feldbett, wo er weitertrinken mußte, bis er bewußtlos liegenblieb.
    »Erledigt«, sagte Wolzow. Holt wischte sich über die Stirn.
     
    »Was wird nun … aus dem Bataillon?« fragte Unteroffizier Winkler.
    Wolzow schaute Holt, Vetter und Winkler ins Gesicht. »Das Bataillon wird seinen Auftrag unter allen Umständen ausführen. Das Bataillon hört auf mein Kommando.«
    Unteroffizier Winkler wandte überrascht den Kopf zu Wolzow um. Er sagte: »Hier wird aber nirgends mehr gekämpft.« – »Wo ich befehle«, sagte Wolzow, »wird gekämpft! Wer anders denkt …« Er schlug auf die Pistolentasche. Vetter stand mit der Wäscheleine dabei.
    Wolzow trat an den Tisch und beugte sich über die Karte. Aus dem Radioapparat ertönte die Stimme des Sprechers. »Aus dem Führerhauptquartier … Großangriff im Osten hat begonnen …« Wolzow starrte das Radio an. »… Panzerspitzen im weiteren Vordringen … Erbitterter Widerstand … Auch westlich Erfurt … Saale zwischen Jena und Halle überschritten …« Und jetzt: »Aufruf des Führers …« Satzfetzen, die sich in Holts Teilnahmslosigkeit hineinschoben: »Berlin bleibt deutsch … Wien wird wieder deutsch …« Wütend schaltete Wolzow das Radio ab. »Wir haben einen Kampfauftrag! Alles andere geht uns nichts an!« Er beugte sich wieder über die Karte. »Holt, stell die Verbindung zum Regiment her!«
    Holt probierte mechanisch die Telefone durch. In Greifensleben meldete sich Boek. Wolzow schrie: »Er soll die Selbstfahrlafetten herschicken!« Auf dem zweiten Apparat meldete sich Bucheck, ein Stabsarzt, der von Wahnsinn und Schlußmachen redete. Die aufgeregte Stimme drang blechern aus dem Hörer. »Leg auf!« zischte Wolzow. »Ruf das Regiment!« Aber die Leitung zum Regiment blieb tot. Niemand meldete sich.
    Alles getürmt, dachte Holt.
    Wehnert, auf dem Feldbett, stöhnte.
     
    Wolzow ging mit Holt, Vetter und Winkler durch die Stadt. Eine Hauptstraße, ein kleiner, viereckiger Marktplatz, ein paar schmale Gassen, ringsum Villen in Gärten. Hauptstraße, Markt und die Nebengassen lagen in Trümmern, zerbombt und ausgebrannt. Nordwestlich der Stadt dehnte sich eine Industrieanlage, von einer großen Siedlung umgeben. Dort wehten weiße Fahnen. In der Stadt selbst begegneten sie keinem Zivilisten. Auch die Villen am Stadtrand waren geräumt.
    Sie besichtigten die Feldstellungen östlich der Stadt. Der Graben zog sich von Süden nach Norden in Windungen an dem Flecken entlang, dicht vor dem Saum der Gärten. Die Alarmkompanie hielt den Graben besetzt, zweihundert blutjunge Burschen, bis auf ein paar Gefreite führerlos, aber gut bewaffnet. Wolzow zählte neun Maschinengewehre. Die Soldaten hockten in denGräben, ihr Optimismus war verkrampft. Wilde Gerüchte: »Herr

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