Abenteuer des Werner Holt
Gerstedt entfernt nach Norden lief. Über die Landstraße, aus dem Städtchen nach Osten hinab zur Chaussee, fuhren zwei Personenwagen, bogen in die Chaussee ein und rasten nach Norden davon.
Wolzows Gesicht erstarrte. Er lief mit Winkler, Vetter und Holt an der Spitze der Kompanie. Er brüllte plötzlich einen Gefreiten an: »Kommando übernehmen!«, und dann rannte er schon über die Wiesen, Holt hinter sich her ziehend, gefolgt von Vetter und Winkler. In einer Senke stießen sie auf einen mehrere Meter breiten Bach. Endlich gab es eine Brücke. Sie liefen keuchend zwischen die Gärten und Villen. Im Osten glänzte der Horizont. Auf der Straße zeigte ein Wegweiser die Richtung zum Bataillonsgefechtsstand.
Der Troß-LKW stand vor einer Villa. Hier liefen viele Telefonkabel zusammen. Auf dem Gehsteig hinter dem Lastwagen türmten sich Munitionskisten, Gewehre, Maschinengewehre, ein Arsenal von Waffen und Munition, unordentlich hingeworfen, in Eile abgeladen. Unter der zurückgeschlagenen Plane sah Holt Kisten mit Verpflegung, Kognak, Kommißbrot, Marmeladeneimer, Kanister mit Butter. Der Fahrer, ein Gefreiter, stand neben dem Führerhaus. Aus der Gartenpforte trat Leutnant Wehnert, einen Koffer in der Hand, den Mantel über dem Arm. Er sah Wolzow, stutzte, ging weiter und reichte seinen Koffer ins Führerhaus.
Wolzow trat vor Wehnert hin, faßte mit der Linken das Schloß der Maschinenpistole, die um seinen Hals hing, und hob die Rechte zum Gruß. »Zweite Kompanie …« Holt war zu abgehetzt, um recht zu verstehen, aber was Wehnert sagte, das verstand er. »Beziehen Sie die vorbereiteten Feldstellungen.« – »Wo ist der Kommandeur?« fragte Wolzow. »Der Kommandeur ist im Begriff, den Gefechtsstand zu wechseln«, sagte Wehnert leichthin, »und ich …« – »… und Sie folgen mir in den Gefechtsstand!« Holt hörte die Drohung in Wolzows Stimme.
Wehnerts Gesicht wurde blaß. Seine blauen Augen richteten sich auf Wolzow. Er faßte mit einer Hand die Autotür, setzte den Fuß auf das Trittbrett und rief in seinem härtesten Befehlston: »Sie haben einen Offizier vor sich! Was erlauben Sie sich!« – »Vetter!« schrie Wolzow. »Nimm dem Fahrer die Schlüssel weg!« Vetter, gehorsam wie ein Schäferhund, schob den Leutnant zur Seite und kletterte ins Führerhaus. Holt hörte ihn schimpfen: »Mach keinen Mist, sonst …« Der Fahrer stieg aus und begegnete Wehnerts Blick mit einem Schulterzucken. Er ging ein paar Schritte die Straße entlang und blieb abwartend stehen.
Wehnert plusterte sich auf: »Sind Sie wahnsinnig! Ich befehle Ihnen …« Wolzow zitterte vor Wut. »Der Kommandeur ist getürmt! Und du willst auch türmen, du feiges Schwein! Den Kompanietroß mitnehmen! Das Desertieren werd ich dir austreiben, du Lump!« brüllte er. »An die Laterne mit jedem, der türmen will!«
Wehnert langte nach der Pistolentasche, aber Vetter packte ihnauf einen Wink Wolzows von hinten am Koppel und riß ihm die Waffe heraus. Alle Aufgeblasenheit fiel von Wehnert ab. Er sah hilfesuchend auf Unteroffizier Winkler. Winkler war blaß, er rührte sich nicht. »Ich enthebe Sie Ihrer Befehlsgewalt und nehme Sie in Haft«, rief Wolzow. »Vetter, reiß ihm die Schulterstücke runter!« Vetter fetzte die silbernen Rangabzeichen ab, daß Wehnert taumelte. Sie schoben ihn durch den Vorgarten in die Villa. Der Gefechtsstand war im Keller, in der geräumigen, sauberen Waschküche eingerichtet. Den großen, aus Brettern und Holzböcken gefügten Tisch bedeckten Karten. Auf einer Bank standen Telefone und ein Funkgerät, auch einen Radioapparat gab es, und unter dem Fenster ein eisernes Feldbett. Ein Ausgang führte in den Garten, ein zweiter durch einen Gang in den Kohlenkeller.
Wehnert stand bleich neben der Tür; er raffte sich noch einmal zu einem Protest auf. »Sie werden sich zu verantworten haben! Winkler, Sie machen sich der Meuterei mitschuldig, wenn Sie …« Wolzow sprang auf den Leutnant zu und schlug ihm die Faust ins Gesicht.
Vor Holts Blick wurde eine ähnliche Szene lebendig: wie Wolzow am Rabenfelsen Meißner zusammengeschlagen hatte … »Ich werd dir helfen … du Lump!« Wolzow schlug ein zweites Mal zu, und Wehnerts Kopf prallte gegen die Kellerwand.
Holt glaubte den Schlag zu spüren.
Wolzow sagte: »Den möcht ich langsam zu Tode schinden.«
»Großmäuliger Feigling … hat er dich mal genannt«, hetzte Vetter.
In allen Kellern waren die Fenster unvergittert. Wolzow meinte: »Dann wär’s das
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