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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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stand am Fenster des langen Korridors. Auf dem Hof, unter Bogenlampen, wurden ein paar Selbstfahrlafetten mit der langen 7,5-Zentimeter-Kanone munitioniert. Wolzow schlenderte den Korridor entlang. »Das war eine Panzerjäger-Kaserne. Überall stehen noch Selbstfahrlafetten und Pak mit Zugmaschinen rum, aber es fehlt Sprit … Ein Jammer! Überhaupt … alles desertiert, alles haut ab, seit die Amis über den Rhein sind, wird kaum noch Widerstand geleistet. Ich versteh das nicht!« Er schlug Holt auf die Schulter. »Im Unteroffizierskasino versaufen sie die letzten Schnapsvorräte.«
    Sie fanden einen Tisch. Wolzow brachte Bier und Kognak und stützte die Arme auf den Tisch. »Möcht wissen, was mein Onkel macht.« Er trank. Holt saß stumm im Trubel der Betrunkenen.
     
    In der Nacht wurden sie alarmiert. Wehnerts Kompanie marschierte aus der Kaserne. Der Leutnant fehlte. Wolzow erklärte: »Er fährt mit dem Kommandeur und dem Bataillonsadjutanten.« –»Sie haben einen LKW voll Fresserei«, rief Vetter. Sie marschierten den ganzen Tag, am Straßenrand entlang, kilometerweit auseinandergezogen. Zurückgehende Truppen begegneten ihnen. »Die einen gehen zurück, die anderen gehen vor. Möcht wissen, was hier gespielt wird«, sagte Wolzow. Abends kampierten sie in einem Dorf, in Scheunen und Ställen.
    Im Wirtshaus saß ein Kommando SS. Wolzow spielte mit den SS-Leuten bis tief in die Nacht hinein Skat. Am Morgen erzählte er: »Prächtige Kerle! Die sind übrigens ganz in unsrer Nähe zu Hause. Vorgestern haben sie in einem Maidenlager genächtigt, da war was los! Den Mädchen haben sie so lange eingeredet, die Neger und die Mongolen werden sie fressen, bis sie alles mitgemacht haben.« Er lachte. »Sie warten auf ein paar Führer, die wollen ein fliegendes Standgericht aufmachen.« Mit Genugtuung setzte er hinzu: »Dann gehen sie endlich gegen die Deserteure vor!«
    Die Kompanie marschierte weiter. Am Nachmittag wurde sie von Jagdbombern angegriffen. Das Gelände war günstig, es gab kaum Verluste. Dann erreichte die Kompanie das Marschziel, das Dorf Greifensleben. Ein paar Feldgeschütze standen am Dorfrand. Ein Fernsprech-Bautrupp legte Telefonleitungen. In der Gaststube des Wirtshauses richtete Wolzow eine Art Befehlsstelle ein. Er war der einzige, der Initiative zeigte. Die Unteroffiziere Boek und Winkler saßen apathisch am Ofen. Am späten Abend langte eine zweite Alarmkompanie an. Der Führer, ein Oberfeldwebel, war schwer verwundet. Jagdbomber hatten die Kompanie gelichtet. Die Verwundeten wurden ins Nachbardorf gebracht, nach Bucheck, wo der Bataillonsverbandplatz eingerichtet worden war. Als die Telefonverbindung zum Bataillon hergestellt war, ließ es sich Wolzow nicht nehmen, ausführlich den Kampfauftrag zu erläutern.
    Das Bataillon hielt drei Ortschaften besetzt, Greifensleben, Bucheck und den Flecken Gerstedt, eine Stadt von fünftausend Einwohnern, von Fabriken umgeben, schwer bombenzerstört. Die Fernverkehrsstraße stieß von Süden nach Norden durch das hügelige, sparsam bewaldete Land, erst an Greifensleben, dann an Gerstedt vorbei, wo der Bataillonsstab eingezogen war. WestlichGerstedt lag das große Bauerndorf Bucheck. »Wir gehören zur Division ›Körner‹, zu einer neu aufgestellten Armee, deren Südflanke wir hier decken.« Holt hörte es müde und teilnahmslos.
    In der Nacht trafen drei 7,5-Zentimeter-Pak auf Selbstfahrlafetten in Greifensleben ein. Gegen ein Uhr wurde im Süden Kanonendonner laut und verstummte bald. Das Bataillon in Gerstedt, wo auch Wehnert untergekrochen war, gab bekannt, daß Panzerspitzen auf der Autobahn im Süden nach Hermsdorf– Glauchau vordrängten. Gegen Morgen rief das Bataillon die Kompanie nach Gerstedt, zur Verteidigung des Gefechtsstandes, wie es hieß. »Und wer bleibt hier?« fragte Wolzow. Die zuletzt angekommene Alarmkompanie war führerlos, sie bestand aus halbausgebildeten Rekruten, Schülern militärischer Spezialschulen. »So einen Haufen kann man doch nicht sich selbst überlassen! Boek, du bleibst hier!« Wolzow telefonierte mit dem Bataillonsadjutanten. Dann sagte er zu Holt: »Ich hab den Eindruck, daß die das alles gar nicht interessiert.«
    Draußen stand die Kompanie marschfertig. Boek blieb teilnahmslos und zusammengesunken im Wirtshaus sitzen. Die Kompanie marschierte ab.
    Nach anderthalb Stunden, als es hell wurde, sahen sie zur Rechten, ein wenig talwärts, das helle Band der Fernverkehrsstraße, die etwa zwei Kilometer von

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