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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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ja nur das eine …« – »Und die andere Seele in Ihrer Brust, die sitzt dann und wann bei Peter und läßt sich vorspielen, die ›Überreichung der silbernen Rose‹, obwohl’s im Klavierauszug ganz scheußlich klingt!« Sie lachte. »Es freut mich, daß Sie vor mir nicht angeben wollen. Also bitte. Vertrauen Sie sich mir ruhig an. Aber an den Spott werden Sie sich gewöhnen müssen. Ich glaube, er kann Ihnen nicht schaden.« Sie erhob sich aus dem Liegestuhl und trat zur Balkonbrüstung. Mit dem Rücken an das Holz des Geländers gelehnt, sprach sie weiter: »Wenn Sie aber meinen, daß es mir anders geht als Ihnen …« Sie schwieg. Dann setzte sie, wie belustigt, hinzu: »So irrt sich der.« Der Wind blies ihr das Haar ins Gesicht. »Wenn das Taschengeld nicht ausreicht, dann kann ich mich natürlich Mama ›anvertrauen‹, wie Sie so schön sagten …« Sie konnte das Spotten nicht lassen. »Aber was ist das? Belanglosigkeiten. Warten Sie.« Sie holte ein Buch aus dem Zimmer und setzte sich wieder in den Liegestuhl. »›… denn im Grunde und gerade in den tiefsten und wichtigsten Dingen‹«, las sie, »›sind wir namenlos allein‹ …« Er konnte auf dem Buchrücken den Titel erkennen: Rilke, »Briefe«.
    In den tiefsten und wichtigsten Dingen, wiederholte er in Gedanken, und: namenlos allein … Warum? »Man braucht aber dochjemanden, zu dem man Vertrauen haben kann! Wir haben was vor. Vielleicht brauch ich bald einen Menschen. Würden Sie mir helfen, wenn ich mal Hilfe nötig hab?«
    »Ihr Vertrauen hat etwas Überwältigendes«, meinte sie, schon wieder spottlustig. »Also gut. Versuchen Sie’s. Ich will sehn, was ich tun kann.«
     
    Am späten Nachmittag saß Holt dann schweigend vor dem Kamin. Wolzows Fragen tat er mit einer Handbewegung ab. Vetter spielte mit Zemtzki und Gomulka Skat. Nun, da das Abenteuer unmittelbar bevorstand, kämpfte Holt mit einer unbeherrschbaren Aufregung. Wolzow winkte ihm mit den Augen. Auf seinem Zimmer fragte Holt: »Gilbert, wird alles gutgehen?«
    »Paß jetzt auf.« Wolzow nahm die Walther-Pistole aus dem Schubfach und reichte sie Holt. »Du hältst ihn in Schach. Sollte er abhauen, dann schießt du rücksichtslos hinterher. Ich nehm die Parabellum. Wirst du die Nerven haben?«
    Holt krampfte die Faust um die Pistole.
    »Er darf nicht türmen«, fuhr Wolzow fort. »Du hältst ihn also in Schach, bis er unterschrieben hat. Dann kannst du die Kanone wegstecken. Daß er unterschreibt, dafür sorge ich. Der Rest ist dann auch meine Sache. So, jetzt komm. Sei nicht aufgeregt, da kann gar nichts schiefgehn.« Holt legte sich seine Worte zurecht: Einen schönen Gruß von der Ruth Wagner … Er sagte sich unaufhörlich: Es ist für die Gerechtigkeit … für Gerechtigkeit!
    Wolzows Stimme, unten in der Halle, hatte einen scharfen Kommandoton. Er ließ die Uhren vergleichen, es war neunzehn Uhr und achtundzwanzig Minuten. »Sepp! Acht Uhr bringst du den Angelkahn an die Parkinsel, oben, beim Schwarzbrunn, und vergiß nicht die Treidelleine. Wenn’s dunkelt, schleppt ihr das Gepäck zum Kahn, hinten durch die Gärten. Inzwischen sind wir wieder hier. Frag nicht. Alles klar? Komm, Werner.«
    Sie umgingen den Rabenfelsen und näherten sich ihm von Norden. Der Wald reichte bis an den Fuß der aufeinandergetürmten Basaltbrocken. Ein schmaler, von hüfthohen Farnwedeln bewachsener Platz schloß sich unmittelbar an die steil abfallendeFelswand. Hierher schien niemals die Sonne. Der Boden war feucht und modrig. Wolzow verbarg sich am Waldrand.
    Unter dem Felsen war Dämmerung. »Er kommt!« rief Wolzow nach langem Warten. Holt drückte sich in eine der schattengefüllten Felsspalten. »Er kommt am Waldrand entlang«, hörte er, »versteck dich, wir nehmen ihn zwischen uns!« Dann verschwand Wolzow im Wald. Holt stand unbeweglich, an den Fels geschmiegt, die Rechte in der Hosentasche um den Griff der Pistole geschlossen. Wenn er flieht … sofort schießen! Es ist für die Gerechtigkeit.
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis am Waldrand Schritte laut wurden. Holt sah die hochgewachsene Gestalt Meißners im Gebüsch, und dahinter schlich Wolzow durchs Unterholz.
    Meißner war nur noch wenige Schritte von Holt entfernt. Er blieb stehen und wandte den Kopf erst nach rechts, dann nach links. »Hallo!« Dann sah er auf die Armbanduhr. Holt trat aus der Felsspalte. Meißner blickte auf, erkannte Holt und sagte überrascht: »Nanu!« Holt ging langsam um Meißner herum, bis er ihn zwischen sich

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