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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Stuhlbein, wie ein Verrückter um sich. Dann fiel er, ein Klumpen Oberhelfer warf sich auf ihn. Holt erhielt mehrere Schläge ins Gesicht und auf den Kopf und war nur noch halb bei Bewußtsein. Er sah Gomulka mit dem Gewehrkolben um sich stoßen, sah, wie ihn ein Knüppelhieb ins Gesicht traf und zu Boden warf. Vor seinem Auge schwamm das breite Gesicht Ziesches. Hassenswürdig … ein Schwein, brutaler Kerl … Gewaltverbrecher! Holt schlug sich durch das Gewühl zu Ziesche durch. Er sah Wolzow auf dem Boden mit vier oder fünf Gegnern ringen, die auf ihn losdroschen und sich dabei gegenseitig behinderten, sah Vetter mit blutverschmiertem Gesicht »Fanta«-Flaschen durch den Raum werfen und taumelte weiter, auf Ziesche zu, stolperte über Wolzows Beine und riß den Tisch um, der noch immer auf der Kante stand, und die schwere Platte schlug auf das ringende Menschenbündel. Wolzow, der zuunterst gelegen hatte, kam frei undkroch unter der Tischplatte hervor. Holt sah das nur noch wie im Nebel. Er warf sich auf den überraschten Ziesche, der in der Ecke bei den Betten kauerte, und packte ihn mit beiden Händen am Hals. Endlich! Sie fielen zu Boden. Ziesche röchelte. Du Aas, Gewaltverbrecher! Da traf Holt ein Schlag auf den Kopf. Er ließ los. Die Stimme des Hauptmanns dröhnte: »Diese Banditen rotten sich gegenseitig aus, wo gibt’s denn so was!«
    Holt betastete seinen geschwollenen, schmerzenden Kopf. In der Tür stand Kutschera, barhäuptig, und draußen, vor dem Fenster, Gottesknecht. Überall saßen und kauerten Gestalten am Boden und hielten sich die Köpfe. Der Sanitäter verband ein blutiges Auge. Wolzow, so gut wie unversehrt, stand vor dem Hauptmann, noch immer ein Stuhlbein in der Hand, und er maulte: »Wir sind mit Übermacht angegriffen worden!« Kutschera brüllte: »Und der Kerl, der das eingebrockt hat, der hat am wenigsten abgekriegt! Sie meinen wohl, Sie können sich bei mir alles erlauben!«
    Die Bilanz: Sieben Luftwaffenhelfer waren so sehr verletzt, daß sie ins Revier mußten, Vetter, Gomulka und fünf Oberhelfer und dazu ein Flakwehrmann aus der großen Stube, der nichtsahnend ins Getümmel geraten war. Vetter hatte ein gebrochenes Nasenbein, und Gomulka stand hilflos grinsend mit dick verschwollenem Mund, ein Schneidezahn fehlte, das machte sein Gesicht fremd und sein Grinsen zur Grimasse. Sein Kopf war blutverklebt. Hinter dem Ohr klaffte eine große Platzwunde.
    Kutschera verschwand fluchend. Gottesknecht sagte leise: »Genauso hab ich das kommen sehen!« Holt, mit einem unbeherrschbaren Schluchzen, stammelte: »So ein Wahnsinn! So ein himmelschreiender Wahnsinn!« – »Eine verschworene Gemeinschaft sollten wir sein!« sagte Ziesche von seinem Bett her. Holt sprang schon wieder zu ihm hin. »Noch einen Ton, du verlogener Hund …« – »Schluß«, sagte Wolzow. »Laß den Ziesche in Ruh! Wenn er nicht das Maul hält, bekommt er von mir einen Klaps!« Holt kam ein nervöses Lachen an. Einen Klaps, dachte er, einen Klaps …
    Mit vier Stunden Fußdienst war die Sache für Kutschera abgetan.Die Oberhelfer wurden zwei Tage vor der Zeit entlassen; das hatte Gottesknecht durchgesetzt, weil er einen Rachefeldzug Wolzows befürchtete.
     
    Holt besuchte Gomulka im Revier. Gomulka lag mit dick verbundenem Kopf in den Kissen. Die Wunde war ohne Betäubung genäht worden. »Eine Schinderei«, meinte er. »Was gibt’s in der Batterie? Ich hab hin und her überlegt, warum wir uns eigentlich so blödsinnig gedroschen haben. Es ist Krampf.«
    »Aus Prinzip«, sagte Holt. »Nur aus Prinzip. Bei Fontane hat einer überhaupt keine Lust zum Duell und weiß ganz genau, daß es Unfug ist, aber er schießt sich mit dem Freund seiner Frau, aus Prinzip, und schießt ihn tot, aus Prinzip.«
    Gomulka drehte den Kopf ein wenig zur Seite. »Wenn aus Prinzip etwas Sinnloses geschieht, dann ist das Prinzip falsch!« – »Es hat keinen Zweck, viel darüber nachzudenken«, sagte Holt. »Das Gesetz des Handelns ist uns klar vorgeschrieben!« Gomulka mochte wohl müde sein, denn er sagte nichts mehr. Holt fuhr zu Frau Ziesche.
    Sie sagte: »Lieber Himmel, wie siehst du aus!« Er erzählte von der Schlägerei. »Ich hätte den Ziesche beinah erwürgt!« Sie strich ihm mit der Hand übers Haar und meinte: »Beruhige dich. Willst du Tee?« Die Berührung ihrer Hand machte ihn matt und willenlos. Bei ihr wird alles Schwere leicht, dachte er. Sie schenkte Tee ein und erzählte Nichtigkeiten. Es war gemütlich und warm, ihm

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