Abenteuer im Ferienlager
Wenn die Putz machen können – wie sie’s nennen –, lassen sie keine Gelegenheit aus. Vorhin haben sie uns eine Frist gesetzt.«
»Wofür?«
»Unsere Bude verschandelt die Landschaft, sagen sie. Das könnten sie nicht zulassen. Bis morgen Nachmittag um drei müssten wir alles niederreißen. Und wegschaffen. Wenn wir’s nicht tun, sollen wir uns gleich die Knochen nummerieren. Ich Esel war so unvorsichtig, diesem Heiko Mehlsen zu widersprechen. Da...«
»Ist das der Anführer?«
»Ist er. Und der schlimmste Schläger der ganzen Gegend. Dreimal flog er wegen Gewalttätigkeit aus seiner Lehrstelle raus. Dann wollte ihn keiner mehr haben. Jetzt ist er ohne Berufsausbildung. Und natürlich arbeitslos. Nicht mal als Hilfsarbeiternehmen sie den. Aber von seinem Vater – der hat eine kleine Kneipe im Ort – kriegt er genug Geld. Für seine schwere Honda und für...«
»Dann weiß ich«, unterbrach Tarzan ihn, »welcher Typ das ist. So ein Vierschrötiger, Bulliger.«
»Stimmt.«
»An Gaby ist er so hart vorbeigefahren, dass sie stürzte.«
»Wenn’s weiter nichts ist«, meinte Volker. »Andere überfährt er glatt. Als ich sagte, der Bauer hätte uns erlaubt, hier die Baracke aufzurichten, kriegte ich eine verpasst, dass ich minutenlang k. o. war.«
Für einen Moment herrschte Schweigen.
Tarzan war empört und biss sich auf die Lippen. Prüfend sah er in die Runde. Aber in den Gesichtern der Jungen und Mädchen war kein Grimm, sondern nur Enttäuschung und Trauer. Sie hatten sich gefreut, auf ihr selbst geschaffenes Jugendheim. Jetzt begriffen sie, dass daraus nichts mehr werden konnte.
»Schade!«, sagte Marlene, »Wäre schön gewesen. Aber die schlagen uns halbtot, wenn wir weitermachen. Hilfe haben wir nicht. Man kann ja auch nicht erwarten, dass hier ständig ein Polizist steht und aufpasst.«
»Ihr wollt nachgeben?«, fragte Tarzan.
Volker hob die Achseln. »Was bleibt uns denn übrig! Das nächste Mal kriege ich eins mit dem Schlagring, hat Mehlsen mir gedroht. Dann könnte ich mein Gesicht auf der Wiese zusammensuchen. Damals habe ich die Sache angefangen – den Bau hier, meine ich. Jetzt bin ich irgendwie für uns alle verantwortlich. Mit gutem Gewissen könnte ich nicht empfehlen, dass wir weitermachen. Die Rocker prügeln uns zusammen. Die schlagen auch Mädchen.«
»Dieser Heiko Mehlsen ist also der Anführer«, sagte Tarzan nachdenklich.
»Er und sein Unterhäuptling Dieter Plaschke. Der ist vom gleichen Kaliber, nur noch blöder. Mehlsen hat natürlich immer ne Rockerbraut bei sich. Jutta Kranig. Die hat schon zwei
Jugendstrafen weg wegen Diebstahls. In den Ausflugslokalen arbeitet sie manchmal als Bedienung, aushilfsweise. Ich hörte, wie sie mal sagte, dass sie sich gern in den Po kneifen lässt, weil’s dann besonders viel Trinkgeld gäbe.«
»Ekelhaft«, sagte Tarzan. »Wie würdest du Mehlsen einschätzen: Ist der fair, wenn man ihn herausfordert?«
»Wie meinst du das?«
»Tarzan meint«, schaltete Gaby sich ein, »ob Mehlsen die Herausforderung zum Zweikampf annehmen würde, oder ob dann die ganze Horde über Tarzan herfiele. Tarzan, um Himmels willen, lass das doch! So was kann nicht immer gut gehen. Einmal... Ich...«
Sie stockte. Aus großen Augen sah sie ihn an, bittend. Im selben Moment wurde sie rot. Weil sie merkte: Alle um sie herum kapierten, wie besorgt sie seinetwegen war.
»Ach!«, sagte sie dann. »Mach doch, was du willst. Machst es ja sowieso.«
Tarzan lächelte. »Du denkst doch da genauso wie ich, Gaby. Wenn man irgendwo helfen kann... Nur hast du hier«, er umspannte mit zwei Fingern ihren schlanken Oberarm, »nicht genug, um diesen Mehlsen zu vertrimmen. Argumente kapiert der nicht. Aber wenn er eine verpasst kriegt, dämmert’s ihm vielleicht.«
»Leider muss der erst noch geboren werden«, sagte Volker, »der dem eine verpasst. Mehlsen ist stark wie ein Ochse.« »Tatsächlich.«
Volker sah ihn aufmerksam an. »Ehrlich, Tarzan, lass die Finger von dem. Du siehst zwar sehr kräftig aus, aber – Mehl- sen ist schon 18 und ein geübter Schläger. Bist du 15 oder 16?«
Tarzan grinste. »13 vorbei.«
»Na, also.«
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet: Müsste ich damit rechnen, dass sich plötzlich alle auf mich stürzen?«
»Ich weiß nicht. Bisher war das noch nie nötig. Mehlsen ist mit jedem allein fertig geworden. Denk nicht mehr dran!«
»Im Gegenteil!«, beharrte Tarzan. »Und ich werde euch was sagen: Die Baracke bleibt.
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