Abenteuer im Ferienlager
Morgen um drei Uhr bin ich hier. Sollen die Rocker kommen. Diesem Mehlsen werde ich sagen, es sei meine Baracke; und wenn er was will, soll er’s mit mir austragen – im ehrlichen Kampf. Der Einsatz ist euer Jugendheim. Verliere ich, ist es Pech für uns alle. Gewinne ich, sollen die Rocker abziehen und euch künftig in Ruhe lassen. Klar?«
Gemurmel wurde laut. Die Mitglieder der Jugendgruppe konnten sich kaum beruhigen.
»Du bist verrückt«, sagte Volker.
Tarzan lachte. »Meinetwegen.«
»Da könntest du auch gleich gegen Muhammad Ali antreten.«
»Nee, nee!«, schaltete Karl sich energisch ein. »Ganz so ist das nicht. Ihr kennt vielleicht diesen Mehlsen. Aber von Tarzan habt ihr keine Ahnung. Jedenfalls kann ich euch verraten: Er ist nicht nur stark wie ein Panter, sondern auch ein Ass im Judo. Den braunen Gürtel hat er bereits – falls ihr wisst, was das bedeutet. Und den schwarzen, also den ersten der Meisterklasse, macht er nach den Sommerferien. Dass er die Prüfung besteht, ist für mich völlig klar. Ob es noch irgendwo einen 13-Jährigen gibt, der den schwarzen Gürtel hat, bezweifle ich. Und wenn Mehlsen schlau ist, lässt er sich hier nicht mehr blicken.«
Auf dem Rückweg fuhren die vier Freunde eine andere Strecke. Der Weg verlief dicht am Wald. Manchmal ragten Zweige weit vor und spendeten Schatten. Besonders Klößchen war dafür dankbar. Er schwitzte wieder mal wie ein Affe und brummelte oft vor sich hin.
Oskar, der die Zunge weit herausbaumeln ließ, soff zweimal aus kleinen Bächen, und hechelte gewaltig.
Tarzans Gedanken eilten voraus. Er dachte an morgen Nachmittag und an das, was ihm bevorstand. Dieser Heiko Mehlsen war sicherlich ein brutaler und gefährlicher Gegner. Trotzdem bereute Tarzan seinen Entschluss nicht.
Vor ihnen gabelte sich der Weg. Schräg links führte er über Wiesen und Felder zur Straße, auf der man dann zum Ort gelangte. Rechts schnitt ein schmaler Weg in den Laubwald. Dort, unter den Bäumen, standen zwei Motorräder.
Tarzan stoppte.
Seine Freunde hielten neben ihm.
»Kommt mir bekannt vor«, meinte Klößchen und kniff die Lider zusammen.
»Die schwere Honda«, sagte Karl, »könnte Mehlsen gehören.«
Tarzan nickte. »Es ist seine. Ich habe mir die Zulassungsnummer gemerkt.«
»Aber nur zwei Maschinen?«, wunderte sich Gaby. »Und die anderen?«
»Wahrscheinlich haben sich Mehlsen und noch wer von den Übrigen getrennt. Fragt sich nur, weshalb«, sagte Tarzan.
Die Antwort kam prompt, als hätte er das Stichwort gegeben.
Ein Schuss krachte.
Oskar zuckte zusammen.
Dann fiel ein zweiter Schuss, ein dritter. Nach kurzer Pause wurde noch zweimal gefeuert.
»He, wildern die?«, fragte Karl entgeistert.
»Das waren Pistolenschüsse«, sagte Tarzan bestimmt. »Genauso klangen neulich die Schüsse auf dem Pistolenschießstand – zu Hause.«
»Die sind nicht sehr weit weg«, bemerkte Karl, und man sah ihm an, wie unbehaglich er sich fühlte.
»Geht ein Stück zurück!«, sagte Tarzan. »Versteckt euch unter den Bäumen. Gaby, achte drauf, dass Oskar nicht bellt. Notfalls die Schnauze zuhalten. Karl, nimm bitte mein Rad mit. Ich schlängele mich mal durch die Büsche und sehe nach, was da los ist.«
»Vielleicht ein Duell«, sagte Klößchen hoffnungsvoll. »Vielleicht bringen Mehlsen und Plaschke sich gegenseitig um.«
»Blödsinn! So bescheuert sind die nicht. Außerdem haben sie nur mit einer Pistole geschossen. Also, los! «
Tarzan wartete, bis sich seine Freunde versteckt hatten. Dann pirschte er los.
Ein Stück folgte er dem Waldweg. Die Laubbäume standen dicht, dazwischen Büsche und Farne. Eine richtige Wildnis – ideal zum Anschleichen.
Tarzan verließ den Weg, huschte durch die Büsche und bewegte sich lautlos wie ein Schatten.
Nach etwa 200 Metern hörte er Stimmen vor sich. Ein Mädchen lachte.
Durch die Blätter eines dichten Strauchs sah er auf eine schmale Lichtung. Sie war mit kniehohem Gras bestanden und lag etwas abseits vom Weg. Außerdem schien sie sumpfig zu sein, denn der Boden schmatzte, als sich die drei bewegten: Der bullige Typ, der Gaby im Vorbeifahren gestreift hatte – zweifellos Heiko Mehlsen –, ein zweiter Junge von etwa 17 Jahren – knochig, mit pickligem Gesicht und einer Nase wie eine Beil- klinge – und ein Mädchen.
Sie hatte rotes Haar. Aber es war gefärbt. Denn am Ansatz des Mittelscheitels wuchs es dunkel nach. Sie trug weiße Jeans und die schwarze Rockerjacke. Ihr Gesicht war stark geschminkt,
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