Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
des Nachmittags steht im Zeichen einer ersten Erkundung von Santiagos Altstadt und dem Besuch der Kathedrale. Schon der erste Eindruck reicht, um sagen zu können, dass es eine großartige Stadt ist, in der es sich problemlos ein paar Tage aushalten lässt. Die Kathedrale wird dabei vermutlich noch eine angemessene Zeit im Mittelpunkt meines Interesses stehen. Überhaupt werden wir die Zeit sicher weidlich auskosten. Ela hat angekündigt, auch nach Finisterre wandern zu wollen. Wir werden den Trip also übermorgen gemeinsam in Angriff nehmen. Aber nun ist zunächst Santiago angesagt. Die Emotionen verziehen sich langsam und machen einem Gefühl der Leichtigkeit Platz. Wir wollen uns jetzt belohnen. Das tun wir mit einem angemessenen Abendessen, gemeinsam mit Eileen und Torsten. Wir verleben einen wunderbaren Abend, gelöst und bester Laune. Wie auch sonst an so einem Tag?
Nach de m Essen verabschieden sich Eileen und Torsten. Sie setzen bereits morgen ihren Weg Richtung Finisterre fort. Torstens Rückflug geht am Wochenende und die
beiden möchten lieber einen Ta g länger am Meer verbringen. Ela und ich finden in einem altehrwürdigen Café von seltener Gemütlichkeit und Atmosphäre einen perfekten Platz, den Tag feierlich mit einem Glas Sekt ausklingen zu lassen. Neben einem eleganten Flügel machen wir es uns bequem. Ela bemerkt eher beiläufig, wie toll es wäre, wenn jemand darauf für den passenden musikalischen Rahmen sorgen würde. Es gibt Wünsche, die erfüllt der liebe Gott sofort. Keine 2 Minuten später nimmt ein fein gekleideter Pianist am Flügel Platz und verwöhnt uns mit melodischen Klängen in bester Richard Clayderman-Manier. Das Tüpfelchen auf dem „i“ eines ganz besonderen Tages.
Eine Stunde höchsten Musikgenuss schenkt uns der Pianist. Schweigend lassen wir jeden einzelnen Ton auf uns wirken und lächeln selig um die Wette. So oder ähnlich sieht wohl eine von der Welt losgelöste Zufriedenheit aus.
Es ist fast 1 Uhr, ich lösche das Licht neben meinem Bett. Mein Kopf ist leer, nur das Gefühl von Glück ist noch da. Ein bisschen stolz bin ich auch. I really did it!!
Tag 83, Santiago de Compostela Ruhetag
Ungewohnt, ja, auch etwas seltsam war’s am Morg en. Ich benötigte einen Moment, um zu realisieren, wo ich bin. Der Rucksack blieb in der Ecke. Dort, wo wir den gestrigen Tag beendet hatten, begannen Ela und ich den heutigen Ruhetag. Im Café Casino ließ es sich auch hervorragend frühstücken. Die hohen holzgetäfelten Räume des angeblich ältesten Cafés der Stadt vermitteln einfach eine unvergleichliche Atmosphäre, nicht nur mit Piano-Musik. Es dauerte, ehe wir uns aus den weichen Polstern der gemütlichen Sofas lösten, wir hatten ja Zeit.
Gegen 11 Uhr steuerten wir zielgerichtet die Kathedrale an. Bereits eine Stunde vor der Pilgermesse waren 50 % der Sitzbänke belegt. Alles beherrschendes Element in dem riesigen Kirchengebäude ist die aus Gold und Silber gearbeitete, mit Edelsteinen reich verzierte Statue des heiligen Jakobus hinter dem Altar. Hier stehen die Pilger für eine Umarmung Schlange. Auffällig sticht zudem die Orgel mit ihren extravagant in den Raum ragenden Orgelpfeifen ins Auge. Es ist einerseits ein tolles Gefühl, hier zu sein, andererseits kann von einer besonderen Magie des Ortes keine Rede sein. Dafür ist der Geräuschpegel zu hoch, vor allem das Blitzlichtgewitter der vielen Pilger und Touristen unterbindet jede andächtige Stimmung. Erst kurz vor der Messe um 12 Uhr wurde es still, als eine Ordensschwester mit engelsgleichem Gesang die Lieder anstimmte, die anschließend gemeinsam gesungen werden sollten.
Die Pilgermesse war sehr schön, aber nicht der finale Höhepunkt. Eher der runde und würdige Abschluss eines Gesamthighlights. Eine Stunde zum Verarbeiten, zum Dank sagen, unterlegt von opulenten Orgelklängen und dieser selten klaren Stimme der Schwester. Ich war weit weg mit meinen Gedanken während der Worte des Priesters (oder ist es ein Bischof?), von denen ich sowieso nichts verstand. Als er uns auf den Camino de la Vida schickte, war nicht nur die Messe, sondern auch die Pilgerreise offiziell beendet. Für mich wird der Camino immer ein Weg meines Lebens bleiben. Ob es DER Weg meines Lebens gewesen ist, wird sich wohl erst später herausstellen, vielleicht viel später. Aber egal, was es sein wird, ich freue mich auf das, was kommt!
Auf das Zeremoniell mit dem riesigen Weihrauchfass, welches
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