Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
ich, seine Schnauze zusammenzudrücken, mein Mund ist voller Haare
und dann endlich ein Widerstand, endlich Haut, endlich Blut, warm und
dickflüssig wie geschmolzen. Er windet sich, wirft seinen Körper umher, wir wälzen
uns im Schlamm, abgeknickter Schilf bohrt sich in meine Haut, reißt sie auf. Immer
mehr Blut sammelt sich in meinem Mund. Ich würde es gern ausspucken, doch das
geht nicht, ohne den Biss zu lösen, und selbst wenn ich das wollte, wäre es unmöglich,
so blockiert ist mein Kiefer, also schlucke ich es herunter. Es schmeckt nach Heidelbeeren und vollkommen
unnatürlich, behaarte Hautfetzen bleiben mir im Hals stecken, ich muss würgen,
husten, und der Hund nutzt das sofort aus, befreit seinen Kopf, und ich kann
ihn nur noch in letzter Sekunde umarmen, an mich pressen, meine Schulter an
seine Schnauze drücken und mit aller Kraft versuchen, mich wieder auf ihn zu
legen.
Ich habe Hunde nie gemocht, Herr Willis, aber so mit ihm
verschlungen, mich so Wange an Wange mit ihm durch den Morast wälzend, macht es
mich auf einmal sehr traurig, ihn so unbedingt töten zu wollen. Endlich habe
ich mal ein eindeutiges Bedürfnis, und dann ist es so eines. Und den Hund macht
es bestimmt ebenfalls traurig, mich so unbedingt töten zu wollen. Wir haben
einfach keinen günstigen Zeitpunkt gewählt, um uns kennenzulernen, und dann
kommen wir ins Rollen, rutschen einen kurzen Abhang hinunter, einander
umschlingend fallen wir ins Wasser, tauchen unter, ziehen uns gegenseitig in
die Tiefe.
Das Wasser ist warm und ölig, um mich herum alles dunkel, nur kleine
Luftblasen und schwache Andeutungen von Fell. Noch immer umklammern wir uns,
der Hund und ich, sinken tiefer, und ich weiß, dass er auch nicht auf diese
Weise sterben will, ich weiß, dass auch ihm all seine Probleme (Futter, Zuneigung, Älterwerden) auf
einmal nichtig erscheinen. Ich weiß, dass er sich ebenfalls mit mir verbunden
fühlt, wie wohltuend diese Verbundenheit
auch für ihn ist, dass er mich genauso wenig loslassen möchte wie ich ihn, dass
wir uns aber voneinander lösen müssen, um diese Verbundenheit zu bewahren.
Dass es sich dabei bestimmt um einen sehr tröstlichen Gedanken handele,
überlege ich und nehme mir vor, darüber noch einmal in Ruhe nachzudenken, wenn
das hier alles vorbei ist, auch wenn ich weiß, dass er mir dann nicht mehr
tröstlich erscheinen wird. Fast gleichzeitig lockern der Hund und ich unsere
Umarmung, strampeln an die Oberfläche, und als wir wieder zu Atem kommen,
schauen wir uns unschlüssig und etwas verschämt an.
Und dann sind Sie auf einmal da, Herr Willis. Direkt neben dem Hund
und mir in einem Ruderboot. Ich habe keine Ahnung, wo Sie jetzt ein Ruderboot
herhaben, es muss hier irgendwo festgemacht gewesen sein oder war ans Ufer
getrieben. Es ist mir auch ganz egal, woher Sie es haben. »Beeilung«, sagt Ihr
Mund. Das sagt tatsächlich Ihr Mund, das sagen tatsächlich Sie. Sie ziehen mich
an Bord und schlagen mit dem Ruder in Richtung des paddelnden Hundes. »Hören
Sie damit auf«, rufe ich. Sie starren mich ungläubig an, das Ruder für den
nächsten Schlag über dem Kopf erhoben. »Er kommt mit«, sage ich und schaue Ihnen so bestimmt in die Augen,
dass Sie Ihren Blick abwenden und das Ruder sinken lassen.
Ich helfe dem Hund ins Boot, er schüttelt sich, nickt uns kurz zu, und
dann sehen wir, wie die Polizisten durchs Schilf brechen, wir blicken in den
Strahl ihrer Taschenlampen, hören die anderen Hunde knurren. Wir hören, dass
wir unsere Hände hoch nehmen sollen, dass das Spiel aus sei, dabei kann doch
jeder sehen, dass es das noch längst nicht ist, jetzt erst recht nicht. Ich
schaue Sie fragend an, Sie nicken kurz, der Hund bellt zweimal ermutigend.
»Los«, rufe ich, und wir werfen uns auf den Rücken, greifen nach den Rudern und
schlagen sie ins Wasser, mit aller Kraft, auch wenn das nicht mehr viel ist.
Ich denke an das glückliche Ende, ich denke daran, wie erleichtert wir dort
lächeln werden und wie der Hund dazu bellen wird, zweimal, als stimme er uns
zu. Als Katze wäre er da noch etwas besser, dann hätten wir die auch abgehakt,
doch das soll jetzt nicht unsere Sorge sein.
Wir lehnen uns so weit zurück wie möglich, pressen unsere Schultern
aufs feuchte Holz, halten die Köpfe tief. Die Polizisten schreien letzte
Warnungen, weil sie das wahrscheinlich müssen, dabei gibt es hier weit und breit
keine Zeugen. Der Hund steht am Heck und bellt höhnisch, er springt hin und
her, er gibt uns Deckung.
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