Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
ohnehin wieder zu Hause sein. Es sei denn, Sie
wollen mit mir auf Lesereise gehen. Wenn ja, sagen Sie es bitte schnell, dann
gebe ich das so an den Verlag weiter.
Mein ehemaliger Bankberater verstand mich meistens. »Das
verstehe ich«, sagte er, als ich mir das mit dem Festgeld noch einmal durch den
Kopf gehen lassen wollte. »Das verstehe ich«, sagte er, als ich einen Termin
wegen Krankheit verschieben musste. »Das verstehe ich«, sagte er, als ich
sagte, dass es heute zum Glück etwas kühler sei. Er schaute mich dabei eindringlich
an, als befürchtete er, ich könnte ihm sein Verständnis womöglich nicht
glauben, dabei glaubte ich ihm immer. Das meiste war schließlich einfach und
der Rest nicht sehr schwer.
Sehr geehrter Herr Willis,
ein paar Sekunden lang liegen wir einfach schweigend
nebeneinander auf dem Boot. Von oben sieht das bestimmt sehr einträchtig aus,
aber leider sind wir nicht oben, leider sind wir hier unten, mittendrin, und da
hat man keine gute Sicht auf sich.
Ich habe meine Frage schon fast vergessen, als Sie verächtlich durch
die Nase ausatmen. »Warum Sie mich nicht einschätzen können?«, fragen Sie, ob
ich das wirklich wissen wolle. Ich nicke. »Weil es Sie nicht im Geringsten
interessiert«, sagen Sie. »Weil ich Sie nicht im Geringsten interessiere«,
sagen Sie. Sie drehen sich zu mir um, stützen sich auf Ihren Ellenbogen. Ich
hätte nicht die leiseste Ahnung von Ihnen, sagen Sie. Alles Mögliche würde ich
über Sie behaupten, ohne Sie im Geringsten zu kennen. »Es – geht – mir – gut.«
Sie betonen jedes einzelne Wort, als müsste ich diesen Satz gleich fehlerfrei
wiederholen. »Oder es ging mir zumindest gut, bis Sie anfingen, mir zu schreiben.«
Sie sagen, dass Sie nicht das leiseste Bedürfnis nach einem Abenteuer gehabt
hätten. Nichts hätten Sie weniger gewollt als eine Schusswunde, wer zum Henker
wolle schon eine Schusswunde. »Nur meine Ruhe wollte ich«, sagen Sie und
schauen mich dabei mehr flehend als vorwurfsvoll an.
Gern würde ich etwas erwidern. Dass man manchmal gar nicht merkt,
wie schlecht es einem geht, weil man sich längst in seinem Unglück eingerichtet
hat, zum Beispiel, doch Sie lassen mich nicht zu Wort kommen. »Wem es aber
anscheinend alles andere als gut geht, das sind Sie.« Sie wüssten nicht, was
ich hier auf Sie projizieren würde.
Sie wüssten nicht, was Sie an meiner Stelle hier erleben oder durchmachen oder
erkennen sollten. Sie hätten keine Ahnung von meinem glücklichen Ende. Sie
wüssten nur eines, sagen Sie und machen dabei eine kleine dramatische Pause,
die können Sie nicht verhindern, die kommt automatisch, gelernt ist gelernt.
Nämlich, sagen Sie, dass Sie mit alldem nichts zu tun haben möchten.
Ob ich das verstanden hätte, fragen Sie, und ich sage: »Nein.« Ich
sage, dass Sie es sind, der anscheinend alles falsch versteht, denn es gehe
hier doch nicht um mich, und Sie lachen auf. »Um wen denn sonst?«, rufen Sie,
immer, immer gehe es hier nur um mich. Ich könne mir ja gar nichts anderes
vorstellen. Sie deuten mit der Hand wild in der Gegend herum. »Der Wald, das
sind Sie. Das Boot, das sind Sie. Die Wolken sind Sie. Der tote Hund sind Sie.
Und ich«, sagen Sie und klopfen sich dabei auf die Brust, »bin auch Sie.« Und
ehrlich gesagt seien Sie das nicht besonders gern. Das solle ich jetzt nicht
allzu persönlich nehmen, es sei halt einfach so, und dabei wenden Sie sich ab
und schauen auf den See hinaus, auch wenn Sie sich nach Ihrer Logik damit
wieder mir zuwenden würden, da gibt es kein Entkommen.
Es ist jetzt anscheinend an mir, etwas zu erwidern, also sage ich:
»Unsinn.« Ich sage, dass Sie jetzt bitte nichts durcheinanderbringen sollen,
Sie seien mein Bankberater und nur darauf hätten Sie sich zu konzentrieren. Sie
drehen sich wieder zu mir, Ihre Nase stößt fast an meine. »Wenn Sie noch einmal
mit diesem Bankberater anfangen«, sagen Sie, »bringe ich Sie um.« Sie schwören
es sogar, auch wenn das kaum notwendig scheint. »Ich bin nicht Ihr
Bankberater«, sagen Sie und dass Sie es nie waren und nie sein würden. »Nie im
Leben«, sagen Sie, und auf überhaupt nichts müssten Sie sich konzentrieren, außer
darauf, nun endlich nach Hause zu kommen.
Ehrlich gesagt hatte ich es mir einfacher mit Ihnen vorgestellt,
Herr Willis. Ehrlich gesagt hatte ich etwas mehr Engagement und etwas mehr
Professionalität erwartet. Ich bin es ehrlich gesagt gerade ein wenig leid mit
Ihnen. Wenn Sie nicht in der Rolle bleiben,
Weitere Kostenlose Bücher