Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
Ei und trank den Kakao aus. »Bin draußen!«, rief ich und schlüpfte in die Schuhe.
So ein Verhältnis hätte ich auch gerne gehabt. Das roch nach Spaß und Skandal. Wie genau ein Verhältnis ablief, wusste ich nicht. Es hatte auf alle Fälle mit Küssen zu tun – und mehr, wie Oma andeutete, wenn sie wieder einmal von diesem oder jener sprach.
Voller Abenteuerlust legten die Wollebachritter vom Steg ab. Es ging über den Bodensee bis ins Land der Franzosen, denn dort vermuteten wir Schätze und Abenteuer. Olli hatte ein altes Wagenrad vom Bauernhof seines Onkels organisiert, damit steuerte er nun unser Schiff
Drachentöter
durch die wilden Wellen. Tanja bestückte das Katapult, das wir aus Ästen und einer Hundeleine gebastelt hatten, und ich hielt am Bug Ausschau nach Feinden.
»Nessie ahoi!«, schrie ich gegen das Tosen des Windes und hielt die Hand schützend vors Gesicht, als die Gischt über die Bordwand brach. »15 Grad Backbord!«
Olli legte sich schwer ins Steuerrad.
»Der Riemen ist nass geworden und nun ist das Katapult unbrauchbar!«, rief Tanja. »Gnade uns Gott!«
»Poseidon«, verbesserte Olli. »Das ist der Gott der Meere.«
»Ist das nicht Neptun?«, fragte ich.
»Wo ist das Monster hin?«, fragte Tanja. »Ich kann es nicht mehr sehen.«
»In den Mastkorb«, schlug Olli vor.
»Welcher Mastkorb?«, fragte ich. Wind und Wellen um uns herum erstarben, das Katapult zerfiel in Äste und Hundeleine. Der
Drachentöter
kippte scheppernd um und war nur noch der Deckel einer Mülltonne.
»Ohne Mast kein Mastkorb«, stellte ich fest. Olli stimmte mir zu. Tanja deutete auf den Kirchturm. »Wie sieht’s denn damit aus?«
»Nein, das da ist viel besser!«, entgegnete Olli und deutete auf die knorrige Platane.
Ein massiver Baum, den Tanja, Olli und ich nicht gemeinsam umspannen konnten und der trotz aller Knoten im Stamm kaum zu erklettern war. Wir schätzten ihn auf mindestens hunderttausend Jahre. Hoch über dem Boden ragten die ersten Äste aus dem Stamm, ein perfekter Ausguck.
»Da kommen wir nie hoch«, dachte ich laut.
»Vielleicht mit einem Seil?«, schlug Tanja vor.
»Oder einer Leiter«, antwortete Olli.
»Ich habe eine Idee!«, rief ich und sauste los in Richtung Opas Bastelkeller, die anderen dicht hinterdrein.
Bald darauf spazierten wir zurück in Richtung Platane. Olli trug eine Säge, ich eine Axt und Tanja Hammer und Meißel. Wir passierten Oma, die sich im Gemüsegarten über die Beete bückte. »Wollt ihr einen Wald roden?«, fragte sie.
»Nein, Frau Keller«, antwortete Olli. »Nur eine Treppe in unseren Mast hauen.«
Das mussten wir ihr erklären.
»Der Ast ist unser Ausguck, und um da raufklettern zu können, brauchen wir eine Leiter«, begann ich.
»Der Baum ist so dick, da können wir leicht eine Leiter reinschnitzen«, fuhr Olli fort.
»Oder eine Wendeltreppe«, schloss Tanja.
Oma schaute uns entgeistert an. »Damit bringt ihr den Baum um.«
Olli schüttelte den Kopf. »Keine Sorge, wir fällen den nicht. Nur ein paar Zentimeter, dass wir auf den Ast kommen.«
»Der Baum ist so dick, der merkt das gar nicht«, beschwichtigte Tanja Oma.
»Der merkt sehr wohl, wenn ihr ihm die Wasserleitungen zerstört. Die verlaufen nämlich ganz dicht unter der Rinde und bringen Wasser bis hinauf in die Blätter. Und gleich daneben gibt es noch Leitungen, die Nährstoffe von den Blättern bis in die Wurzeln transportieren. Wenn ihr nun rundherum eure Stufen in den Baum hackt, durchtrennt ihr die und der Baum ist hinüber!«
Wir schauten uns verunsichert an.
»Wirklich?«, fragte Tanja.
»Wirklich!« Oma winkte ab. »Jetzt palavere ich euch mit Botanik voll. Geht wieder spielen, nur lasst bitte Säge und Axt hier.«
Wir hielten Kriegsrat unter der Platane. Olli ärgerte sich. »Was muss der blöde Baum seine Leitungen denn so dicht unter der Rinde haben? Ist doch dämlich. In der Mitte wären die viel sicherer.«
»Lasst uns doch einen anderen Mast suchen«, schlug Tanja vor.
»Aufgeben?« Olli schaute sie entsetzt an.
»Leiter«, sagte ich.
»Strickleiter«, verbesserte mich Olli. »Schließlich ist es ein Mast.«
Ich stürmte in Opas Spielzimmer. Dort hatte er ein Miniaturwollebach aufgebaut, mit Häusern, Autos, Bäumen und klitzekleinen Menschen. Ein faszinierendes Spielzeug, an dem er Stunden sitzen konnte, malen, basteln, hin- und herschieben. Gerade beugte er sich über ein Modellauto, mit einem Pinsel in der Hand.
»Opa, wir brauchen dringend eine
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