Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
Ast stößt.«
»Super Idee«, sagte ich begeistert und klopfte Tanja anerkennend auf die Schulter. »Wir brauchen die Dreißig-Zentimeter-Schritte aber nicht, sondern messen einfach, wie viel Schnur Tanja auf der anderen Seite des Asts herabgezogen hat.«
Gesagt, getan.
Der Ast ragte stolze sechs Meter und ein bisschen über uns in die Luft.
»Wir sind ein tolles Team«, rief Olli stolz und wir anderen stimmten zu.
»Das hätte auch ohne Lineal funktioniert«, grummelte Olli.
»Egal«, entgegnete ich. »Hat jemand noch eine andere Idee?«
»Jetzt können wir uns doch eine Strickleiter kaufen«, schlug Tanja vor.
Ich schüttelte den Kopf. »Die Wollebachritter haben eine Aufgabe gestellt bekommen und werden diese auch lösen.«
»Ritterehre«, stimmte Olli zu.
Gemeinsam dachten wir nach.
»Ich hab’s!«, rief Olli. »Wir fällen den Baum und messen ihn dann.«
Tanja und ich schauten ihn wenig begeistert an. »Ha ha ha«, sagte Tanja. »Sehr komisch. Schade, dass es kein Gummibaum ist, sonst könnten wir ihn zu uns herunterbiegen.«
»Die bestehen doch nicht wirklich aus Gummi«, widersprach Olli.
»Wohl!«, entgegnete Tanja und beide sahen mich an.
»Keine Ahnung«, antwortete ich. Einerseits glaubte ich, dass Olli recht hatte, andererseits wollte ich es mir mit Tanja nicht verderben. Der Gedanke, einen Baum so zu verbiegen, war zu komisch. Ich stellte mir uns drei vor, mit langen Seilen und viel Muskelschmalz bewaffnet, wie wir zogen und zogen und sich der Baum bog und ...
»Schatten!«, schrie ich begeistert. »Wir messen den Schatten der Platane, wenn er genau so lang ist wie der Baum hoch!«
»Und woher wissen wir, wann das ist? Die werden doch andauernd länger und kürzer, diese Schatten«, sagte Olli.
»Wenn der Schatten des Lineals dreißig Zentimeter lang ist, messen wir den der Platane von der Wurzel bis zum Ast und fertig!«
Genial, fanden beide. Irgendwann am nächsten Vormittag war es so weit. Mit dem Lineal ging alles recht einfach, doch der Baum machte uns Schwierigkeiten. Dummerweise war der Ast so unglücklich zur Sonne gewachsen, dass sein Schatten von dem des Stammes verschluckt wurde.
»Komisch«, sagte Tanja. »Müsste die Stelle nicht viel schwärzer sein, da wo Ast und Stamm gleichzeitig ihren Schatten drauf werfen?«
»Wie beim Sportfeld mit dem Flutlicht«, stimmte Olli zu. »Wenn sich da zwei Schatten kreuzen, ist das auch viel dunkler, als wenn nur einer alleine auf den Rasen fällt.«
Das Phänomen hatte ich auch schon beobachtet. Allerdings schien das für Sonnenschatten nicht zu gelten, denn der blieb einheitlich schwarz.
Bis Mittag schrumpfte der Schatten wieder und wanderte um den Stamm herum, und nun sahen wir den Ast. Allerdings schien er arg gestaucht. Olli maß den des Lineals. »Knapp zehn Zentimeter.«
Wie ärgerlich.
Als am Nachmittag die Sonne tiefer stand, verschluckte der Stammschatten wieder den des Asts.
»So was Blödes! Das macht der doch extra!«, grum–melte Olli und warf einen Stein gegen den Baum.
Das Problem hielt mich diese Nacht eine ganze Weile wach. Eine Idee kreiste in meinem Kopf. Ich ahnte sie, konnte sie aber nicht fassen. Ich träumte von Bäumen und Linealen und Opa.
Plötzlich schlug ich die Augen auf und rief: »Ich hab’s!«
Am nächsten Tag erklärte ich Olli und Tanja: »Der Schatten ändert sich, aber das Lineal bleibt, wie es ist. Warum sollte das nicht auch auf den Baum zutreffen?«
Tanja und Olli schwiegen eine Weile.
»Ich verstehe!«, rief Tanja. »Wenn der des Lineals nur fünfzehn Zentimeter lang ist, dann müssen wir den des Baumes messen und mal zwei nehmen.«
Tanja war gut in Mathe!
»Der Linealschatten verhält sich zum Lineal wie der Platanenschatten zum Baum«, schloss sie.
»Die haben ein Verhältnis!«, rief Olli.
»Hihi!« Tanja lachte.
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Olli hatte ein Verhältnis erwähnt, und das genau vor Tanja. Das hatte doch mit Küssen und Schlimmerem zu tun, oder?
Opa klatschte anerkennend in die Hände, als er von unseren Messungen erfuhr.
»Vielleicht nicht auf den Zentimeter genau, aber ausreichend. Hast du schon einmal von Thales von Milet gehört?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Der hat so um fünf-sechshundert vor Christus in Griechenland gelebt und mit derselben Methode die Höhe der Cheopspyramide bestimmt. Der geometrische Fachbegriff ist Strahlensatz, aber der ist dir sicher egal.«
»Total!«
»Wie geht es weiter?«, fragte er und ich zuckte
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