Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.

Strickleiter«, rief ich.
    »Pscht!«, antwortete Opa und tupfte etwas Farbe auf die Motorhaube. »Ich muss mich konzentrieren.«
    »Kannst du uns eine bauen? Oder kaufen?«
    »Was bauen?«
    »Eine Strickleiter. Damit wir auf den Baum kommen.«
    »Baum?«, brummte er und ich hatte das Gefühl, dass er mir gar nicht zugehört hatte.
    »Ja, wir wollen die alte Platane fällen.«
    »Gut, gut«, sagte er und hielt das Auto unter eine Trockenlampe. »Viel Spaß damit.«
    »Opa!«, rief ich tadelnd. »Hörst du mir denn gar nicht zu?«
    »Entschuldige«, entgegnete er und legte das Modell aus der Hand. »Was möchtest du?«
    Ich wiederholte mein Anliegen.
    »Eine Strickleiter? Bauen? Wie lang? Muss das jetzt sein?«
    »Wie lang, weiß ich nicht. Bis zum ersten Ast der Platane eben.«
    Opa lachte und es klang erleichtert. Er reichte mir ein Lineal. »Sag mir, wie hoch der Ast hängt, dann helfe ich euch mit eurer Strickleiter. Bedingung: Du musst das Lineal verwenden, um die Höhe herauszufinden.«
    »Das ist einfach!«, rief ich.
    »Drei verschiedene Methoden«, hängte er schnell an. »Und nun ab mit dir.« Opa beugte sich wieder über sein Auto und lächelte zufrieden.
    »Das hat er nur gesagt, weil du meintest, es wäre leicht!«, ärgerte sich Olli.
    Tanja schaute erst auf das Lineal, dann auf den Baum. »Das ist doch viel zu kurz.«
    »Immerhin hat er uns keinen Pinsel gegeben oder was sonst so in seiner Reichweite lag.«
    »Kommt, wir fragen Google!«, rief Olli und sprang auf. Er zog Tanja hoch.
    Ich blieb demonstrativ sitzen.
    »Was ist los?«, fragte Olli.
    »Einfach googlen finde ich langweilig.«
    »Aber dazu ist der Computer doch da!«, protestierte Olli.
    »Wollt ihr nicht versuchen, die Aufgabe selber zu lösen?«
    Tanja schüttelte den Kopf. »Wozu? Auf Wikipedia schreiben richtig schlaue Leute, die viel mehr wissen als wir. Warum sollten wir das nicht nutzen?«
    »Zum Beispiel, weil echte Ritter auch keine Computer gehabt haben«, entgegnete ich.
    Das sah Olli ein, nur Tanja war noch nicht überzeugt.
    »Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Opa uns unlösbare Aufgaben stellt.«
    Tanja gab nach und setzte sich wieder zu mir. »Wie funktioniert deine Methode?«, fragte sie.
    »Ganz einfach. Wir markieren die erste Lineallänge am Stamm. Da legen wir das Lineal an, messen die nächsten dreißig Zentimeter und so weiter. Schließlich zählen wir die Markierungen und nehmen die mit dreißig mal.«
    »Oder wir nehmen plus«, sagte Tanja. »Dreißig Zentimeter plus dreißig plus dreißig, bis wir ganz oben am Ast sind.«
    »Das ist doch dasselbe!«, warf ich ein.
    »Gar nicht!«, protestierte Tanja. »Du hast mal gesagt, ich plus.«
    Olli stemmte die Hände in die Hüften und blickte am Stamm der Platane hinauf. »Wie sollen wir denn so hoch hinaufreichen?«
    »Räuberleiter?«, schlug Tanja vor.
    »Eine Katze dressieren?«, sagte ich und lachte.
    »Vielleicht mit meinem Koffer?«, dachte Olli laut. »Da stellen wir einen Stuhl drauf und darauf kommt ein Hocker und so weiter.«
    »Meine Mutter bekommt schon einen Herzanfall, wenn ich auf den Tisch klettere, um mir die Kekse zu angeln«, wandte Tanja ein.
    Wir überlegten ein paar Augenblicke und schauten in die Krone der Platane.
    »Ich hab’s!«, rief ich. »Wir brauchen Schnur, viel Schnur.«
    An dieser banden wir das Lineal fest und am anderen Ende ein Stück Holz. Das warfen wir über den Ast und spannten die Schnur, so dass das Lineal aufrecht auf dem Boden stand. »Tanja, zieh am Holz, bis das untere Ende des Lineals dort in der Luft hängt, wo jetzt das obere Ende ist.«

    Langsam zog Tanja an der Schnur, das Lineal erhob sich in die Luft und pendelte hin und her und im Kreis. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis es sich nicht mehr bewegte. Tanja musste sehr vorsichtig vorgehen.
    »Stopp!«, riefen Olli und ich gleichzeitig.
    »Das sind jetzt sechzig Zentimeter«, bemerkte ich.
    Die ersten Male konnten wir helfend eingreifen und das Lineal stabilisieren, aber bald schwebte es über unseren Köpfen und tanzte im Wind.
    »Wir sollten ein Gewicht drankleben«, meinte Olli. »Damit es nicht mehr so hin und her baumelt.«
    »Ich habe eine Idee!«, rief Tanja und klatschte aufgeregt in die Hände. Dabei fiel das Lineal wieder auf die Erde.
    »Na prima«, beschwerte sich Olli. »Die ganze Arbeit umsonst.«
    »Wir müssen gar nicht warten, bis das Lineal stillsteht. Wir ziehen einfach die Schnur immer dreißig Zentimeter weiter, bis das Lineal an den