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Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.

Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.

Titel: Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Zeidler
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blauen Hauses. Geduckt stand es zwischen zwei Tannen. Verschnörkelte weiße Fensterläden, ein spitzes Dach mit hohem Schornstein, eine schwarze Katze auf der Fensterbank – fehlten nur noch die Lebkuchenwände.
    Ich fühlte, wie die Augen der Hexe versuchten, mich zu durchbohren.
    Hastig verkroch ich mich wieder hinter der Mauer.
    »Die Rosendornen sind vergiftet«, rief Olli und saugte an meinem Kratzer. »Fühlt es sich wie eingeschlafen an?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Olli schaute beruhigt drein. »Gerade noch rechtzeitig!«
    »Was sollen wir dagegen tun?«, fragte ich.
    »Was meinst du?«, antwortete er.
    »Eine kinderfressende Hexe in der Stadt der Wollebachritter? Das können wir nicht zulassen.«
    »Stimmt«, gab Olli kleinlaut zu. »Sollen wir Tanja zur Verstärkung holen?«
    Ich verneinte. »Das ist zu gefährlich für Mädchen.«
    »Na ja, es ist aber auch ganz schön gefährlich für Jungs«, warf Olli ein. »Immerhin ist Tanja nicht irgendein Mädchen, sondern eine Wollebachprinzessin.«
    Das war nicht von der Hand zu weisen.
    Kurz darauf klingelten wir bei Tanja.
    Der Plan lag auf der Hand: verhindern, dass die alte Ursel mit dem Giftblick weiter ihr Unwesen in Wollebach trieb.
    »Hexen brauchen Zeit für ihre Zauberei«, wusste Olli zu berichten. »Wir müssen sie ablenken!«
    Wir bereiteten uns auf alle Eventualitäten vor: Tanja organisierte ein silbernes Kreuz an einer Kette und Knoblauch, ich lieh mir heimlich Omas Hasenpfote aus, in der Kirche benetzten wir unser Haar mit Weihwasser.
    Nun klingelten wir alle fünf Minuten bei der Hexe und versteckten uns danach hinter den Autos am Straßenrand.
    Ursel wurde nicht müde, aus Tür und Fenster über Lausbuben zu schimpfen, und wir hofften inständig, dass sie uns nicht sah und uns mit einem Fluch bedachte. Einmal ertappten wir sie dabei, wie sie hinter dem Vorhang des Wohnzimmers auf uns lauerte. Wir konnten Tanja gerade noch zurückhalten; sie wäre sonst sicher entdeckt worden.
    »Es ist Zeit, die Strategie zu wechseln«, bemerkte Olli. »Hinters Haus!«
    Ursels Garten umgab ein Lattenzaun. Der hielt laut Olli ihre reißenden Bestien im Zaum. Es gab leider kaum Ritzen, durch die wir lugen konnten. Ich erinnerte mich an die Hebelwirkung, und mit Opas Brecheisen lockerten wir leicht eine Zaunlatte so weit, dass wir einen guten Überblick über den Garten gewannen. Außer ein paar Blumen und einer Hollywoodschaukel konnten wir nichts entdecken. »Die Bestien sind wohl im Haus«, folgerte Tanja.
    »Sie ist in der Küche!«, sagte ich und zeigte auf ein erleuchtetes Fenster.
    Tanja klingelte. Ich zählte bis fünf, zwängte mich durch die Zaunlücke und flitzte in den Garten. Das Herz hämmerte mir bis an die Kehle. Gehetzt schaute ich mich nach den reißenden Bestien um. Direkt durchs Gemüsebeet hastete ich, klatschte mit der Hand an die Hausmauer und eilte wieder zurück zu Olli.
    »Wahnsinn!«, rief er aufgeregt, während ich mich erschöpft ins Gras fallen ließ. »Einfach Wahnsinn.«
    Nun war er an der Reihe.
    Immer dreister wurden wir, rannten manchmal schon auf Ursels Grundstück, bevor Tanja klingelte, und blieben länger am Haus, statt schnell zu flüchten.
    Gerade war ich dabei, wagemutig durch den Gemüsegarten zu schlendern, da sah ich Tanja bei Olli hinter dem Zaun stehen. Beide winkten mir ungestüm zu.
    Sollte Tanja nicht klingeln?
    Meine Beine machten sich selbstständig. Sie rasten sofort los, stolperten übereinander und ich landete im Dreck. Ich rappelte mich wieder auf und hastete noch auf allen Vieren los in Sicherheit.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Die hat in der Küche gewartet«, erzählte Olli.
    »Hat sie mich erkannt?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Tanja.
    Kurz darauf sahen wir die alte Ursel am Telefon stehen, und nicht einmal eine halbe Stunde später kam Opa mit seinem Werkzeugkasten die Straße entlang. Ursel gestikulierte schimpfend in unsere Richtung und deutete auf die Fußspuren in ihren Beeten – wir duckten uns tief unter die Haselbüsche am Zaun.
    Opa schüttelte den Kopf, öffnete den Werkzeugkasten und vernagelte unser Einfalltor.
    Die Glocken läuteten sechs.
    Ich war ganz und gar nicht hungrig, und der Heimweg erschien mir heute arg kurz.
    Ich stellte mir die alte Ursel vor, wie sie durchs Haus zur Tür schlurfte, weil es gerade geklingelt hatte, und wie niemand davor stand. Dann sah sie ihre zertrampelten Blumen – es fiel ihr sicher nicht leicht, sich zu bücken und um die Beete zu kümmern.

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