Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
und war vor dem Wetter durch einen Holzkasten mit durchsichtigem Plastikdeckel geschützt. Sehenswürdigkeiten in der Gegend waren angezeigt, das Rathaus und die Polizei rot gefärbt, die Kirche und der Friedhof gelb und die Touristeninformation blau.
»W. Würde, Schnitzereien und Metallarbeiten, Wollebach«, las ich die Plakette vor.
»Ja, der wohnt die Straße runter. Er hat das gespendet.«
»Hübsch.«
»Mensch, wenn die Sonne um zehn Uhr scheint und wir den Stab richtig platzieren, dann wird der Schatten direkt auf den Stadtplan fallen – und auf das Haus der Silberfee!«, sagte Olli.
Wir warteten.
Mein Herz klopfte aufgeregt, als sich die volle Stunde näherte.
»Was, wenn die Kirchturmuhr nachgeht? Oder vorgeht?«, fragte ich.
»Unsinn. Kirchturmuhren gehen immer richtig. Sie legen die Tageszeit sozusagen fest.« Olli wunderte sich etwas darüber, dass es zu Borkenkinns Zeiten schon das Modell Wollebachs auf dem Marktplatz gegeben hatte.
Eine Antwort hatte ich sofort parat: »Muss es doch gar nicht gegeben haben. Borkenkinn hat eben in die Zukunft geschaut, als er die Kladde gefertigt hat.«
Das ließ Olli gelten.
Die Kirchturmuhr schlug erst vier Mal, um die volle Stunde anzuzeigen, gefolgt von acht schweren Schlägen. Olli hielt den Stab. Der Schatten fiel auf den Spielplatz.
»Da wohnt doch niemand.«
»Du hältst den Stab nicht gerade!«, rügte ich ihn.
Olli korrigierte, nun fiel der Schatten auf den Friedhof.
»Das könnte hinkommen«, bemerkte Olli.
»Immer noch schief«, antwortete ich. »So wird das nichts.«
»Wir brauchen ein Lot«, schlug Olli vor.
»Was für ein Ding?«
»Ein Lot. Wie Maurer eins haben. Das ist ein Senkrechtmesser!«
»Wie sieht so ein Lot aus und wo finden wir das?«
Opas Werkzeugkeller, natürlich!
Am nächsten Vormittag begleitete uns Tanja. Wir hatten ihr die Geschichte erzählt und unsere Aufgabe gefiel ihr.
Die Kirchturmuhr schlug zehn. Olli hielt den Stab, und der Schatten fiel genau zwischen zwei Häuser.
»Wie dumm!«, bemerkte er.
Tanja nahm die Schnur und vermaß noch einmal die acht Meter von der Hausecke. »Der Stab steht falsch«, sagte Tanja und deutete mit dem Finger auf eine Stelle ein paar Zentimeter links neben Olli. Der bewegte das Zepter. Der Schatten fiel auf die Schwimmhalle.
Nun maß ich ein weiteres Mal nach und kam auf einen Punkt rechts von Olli.
»Ich habe richtig gemessen!«, beschwerte er sich, hielt den Stab aber artig an die angewiesene Stelle.
»Wie kann es denn so viele Punkte acht Meter weit weg von der Ecke geben?«
»Weil die alle auf einer Kreislinie um die Ecke des Gasthauses liegen«, erklärte Tanja.
»Du stehst wohl auf Geometrie«, sagte ich und bewunderte sie etwas dafür.
»Unsinn.« Sie winkte ab. »Mit einem Mathelehrer als Vater wüsstest du das auch. Zeigt mir einmal die Kladde«, forderte sie uns auf. »Die schmale Seite des Gasthauses müssen wir schnurgerade verlängern.«
»Haben wir doch getan!«, protestierte ich und unterstrich meine Aussage, indem ich ihr die Schnur reichte.
»Sicher«, antwortete Tanja. »Acht Meter haben wir gut gemessen, aber wahrscheinlich sind wir ein paar Zentimeter vom Kurs abgekommen. Kein Problem! Das Gasthaus ist ein Rechteck und seine schmale Seite muss demnach im rechten Winkel zur langen Seite verlängert werden.«
Bald darauf standen wir mit einem Geodreieck und zwei Linealen bestückt am Gasthof Adler. Das Dreieck legten wir an der Hauswand an.
»Das ist der rechte Winkel. Wir müssen einfach diese Seite des Geodreiecks mit den Linealen verlängern.«
Gesagt, getan. Wir legten das Dreieck an der Hauswand an und verlängerten dessen Seite mit einem Lineal in Richtung Messpunkt. Das Lineal verlängerten wir wieder mit einem anderen, dann nahmen wir wieder das erste Lineal und legten es auf der anderen Seite des zweiten an und so weiter, bis wir acht Meter vermessen hatten.
»Ganz gerade sieht das aber nicht aus«, zweifelte Olli.
Ich gab ihm recht, dennoch stellten wir den Stab auf.
»Das ist nicht mal mehr in Wollebach!«, rief Tanja verärgert.
»Wir brauchen eine Stange«, sagte ich. »Eine starre Eisenstange, damit gibt es keine Abweichung.«
»Wo finden wir bitte schön eine acht Meter lange Stange?«, fragte Olli.
So sehr wir auch über unser Problem nachdachten, eine Lösung fiel uns einfach nicht ein.
Ich schloss unsere Haustür auf, schlüpfte in meine Pantoffeln und betrat die Küche. Opa und Oma warteten schon mit dem Nachmittagskuchen
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