Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
Ein schöner Ritter war ich, eine alte Frau so zu ärgern, ob sie nun eine Hexe war oder nicht.
Oma rührte im Suppentopf, Opa richtete seine Serviette und ich starrte nur auf die Tischdecke und dachte an die alte Frau.
Während des Essens sprach Oma wieder von der und dem und deren Verhältnis, Opa brummte seine Kommentare und ich schwieg.
Das erwartete Donnerwetter blieb aus, doch Opa schaute mich manchmal an, als wäre er schwer enttäuscht von mir.
Am nächsten Morgen schien alles vergessen. Opa lud uns zu einem Waldspaziergang ein und wir sagten freudig zu, denn er entführte uns immer in eine andere Welt. Jeder Baum erzählte blätterrauschend eine Geschichte, und Opa verstand sie alle und gab sie an uns weiter. Was anderen Spaziergängern wie ein lichter Mischwald erschien, verwandelte sich für unsere Augen in das Reich der Feen und Elfen, das Heim marodierender Räuberbanden oder das Revier des Robin Hood von Wollebach. In Rinde und Wurzeln erkannten wir Gesichter der weisen Hüter des Wollhains, wie der Wald hier genannt wurde, eine dicht beieinanderstehende Baumgruppe offenbarte Opa uns als die Überreste des Sarazenenheeres, das vor Jahrhunderten Wollebach belagert hatte, nachdem es aus der fernen Türkei raubend und mordend durch Europa gezogen war. Doch Borkenkinn, der letzte Druide der Keltenstadt Wollebach, verfluchte sie zum ewigen Baumsein.
»Achtet darauf, wie die Bäume stehen«, sagte Opa und wies auf die verholzten Sarazenen. »Wenn ihr das nächste Mal hier vorbeikommt, dann werden sie sich ein klitzekleines bisschen bewegt haben, vielleicht nur einen halben Zentimeter. Ihr Ziel ist die Westerburg, und wenn diese gefallen ist, werden sie sich über Wollebach hermachen.«
»Aber die Westerburg ist doch nur noch eine Ruine«, warf Olli ein.
»So gnade uns Gott vor dem Zorn der Baumkrieger«, antwortete Opa mit grabestiefer Stimme. Er zeigte in Richtung Gipfel: »Da oben ist es geschehen. Dort hat Borkenkinn die Sarazenen verflucht. Aufrecht stand er da, die Hände gen Himmel erhoben, und auf seinem Kopf schimmerte ein mächtiges Geweih im Mondlicht. Seitdem haben sich die Bäume schon bis hierher bewegt.«
»Na, bis die unten sind, dauert das mindestens tausend Jahre«, schätzte ich.
Opa nickte. »Hoffentlich!«
Der Wanderweg zur Westerburg führte uns etwa eine Stunde durch den Wald und folgte die meiste Zeit der Wolle. Wir passierten einen mächtigen Baumstamm, der irgendwann von einem Blitz gespalten worden war. An seiner Krone grünten noch ein paar Zweige, und inmitten des Baumes, wo sich die Wurzeln zum Stamm vereinigten, klaffte ein dunkles Loch.
»Eine Höhle!«, freute sich Olli und wir wollten schon losrennen, da hielt mich Opa am Wickel.
»Die Erde ist das Reich Borkenkinns! Fordere ihn lieber nicht heraus.«
Von der Burgmauer der Westerburg war nicht mehr viel übrig. Der ehemals höchste Turm, Bergfried genannt, trotzte dagegen hoch und mächtig der Zeit. Leider war die Eingangstür verschlossen. Das Haupthaus der Anlage schien intakt, wenn auch ohne Dach. Hierher verirrten sich nur selten Touristen, denn es gab weder Café noch Parkplatz.
»Genau an dieser Stelle war das Zentrum des Druidenzirkels«, erzählte Opa und wies auf die Mitte des Burghofs. »Das Sarazenenheer brandete mit Macht gegen die unbezwingbaren Mauern an. Was rohe Gewalt nicht erobern konnte, überwand die Schwarzkunst. Die Magier der Sarazenen webten einen mächtigen Zauber und verfluchten die Burg und deren Bewohner. Borkenkinns Rache war fürchterlich. Er zapfte die ureigenen Reserven der Natur an und verwandelte das Sarazenenheer in Bäume. Dafür gab er sein Leben hin: Mit der letzten gesprochenen Rune sank sein Körper darnieder und sein Geist entfleuchte in die Baumkronen.«
Ich schluckte trocken.
Was für ein unheimlicher Ort!
Olli kletterte auf einen Findling und rief: »Hiermit nehme ich den letzten Druidenstein in Besitz.«
»Pscht!«, zischte Opa. »Lege dich nicht mit den schlafenden Mächten des Waldes an! Hier ist schon manch ein naseweises Balg auf Nimmerwiedersehen verschwunden.« Hastig hüpfte Olli vom Stein.
Opa fuhr mit seiner Geschichte fort: »Die Westerburger lebten fortan in ihrer Zeit gefangen und verborgen vor den Augen der Wollebacher. Es war, als hätte es die Burg nie gegeben. Erst vor fünf Jahrzehnten wurde der Fluch von einem Jungen aus Wollebach gebrochen, der es gewagt hat, um Mitternacht bei Vollmond die magischen Worte zu sprechen.
Es gab einen Knall und
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