Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
mit der Seilbahn über den Sandplatz und ließ dabei meine Gedanken schweifen.
Bald darauf betrat ich gut gelaunt unser Haus.
»Du grinst wie eine Woche Sonnenschein«, begrüßte mich Opa im Wohnzimmer.
Ich klopfte mir auf die Brust. »Problem gelöst!«
»Du hast eine Erleuchtung gehabt?«
Begeistert berichtete ich ihm von meinem Aufbau.
»Morgen muss ich den Messpunkt herausfinden«, fuhr ich fort. »Das ist aber ganz einfach. Ich muss achtzehn Meter Drachenschnur mitbringen. An der Gasthofmauer zeichne ich ein Kreidekreuz, und zwar sechs Meter von der Ecke entfernt. Es gibt eine einzige Stelle, die genau acht Meter von der Hausecke und gleichzeitig zehn Meter vom Kreuz entfernt ist, und das ist unser Messpunkt.«
»Warum zehn und sechs Meter?«, fragte Opa.
»Das sind gerade Zahlen und damit kann ich am einfachsten umgehen. Die zehn und die sechs Meter könnte ich auch entsprechend verlängern und verkürzen, solange die acht Meter und der rechte Winkel bleiben.«
Opa hob beide Daumen.
»Eigentlich gibt es zwei Punkte, aber der andere liegt in der falschen Richtung«, fügte ich an und Opa sah aus, als wäre er richtig stolz auf mich.
»Gratulation, du hast die Drei-Vier-Fünf-Regel entdeckt«, sagte Opa. »Die ist wahnsinnig praktisch. Damit habe ich zum Beispiel das kleine Mäuerchen im Garten gebaut. Das steht parallel zum Haus. Alles, was du brauchst, sind drei Schnüre von entsprechender Länge und schon kannst du ein rechtwinkliges Dreieck bilden.«
»Drei-Vier-Fünf-Regel?«
»Eine drei Meter lange Schnur, eine vier Meter und eine fünf Meter lange ergeben immer ein rechtwinkliges Dreieck.«
»Meine Seiten sind aber sechs, acht und zehn Meter lang.«
»Teile die mal durch zwei!
Drei zu vier zu fünf
beschreibt ein Verhältnis. Du kannst es für alle möglichen Zahlen anwenden, nur musst du dich dann mit Brüchen herumschlagen. Das ist aber gar nicht so schwierig. Als ich den alten Schuppen gebaut habe, wurden die Ecken mit dieser Regel rechtwinklig. Pythagoras hat dafür eine Formel entdeckt: a2 + b2 = c2.«
Instinktiv hob ich die Hände.
»Das ist eigentlich ganz einfach«, begann Opa. »Setze folgende Zahlen ein:
6 × 6 + 8 × 8 = 10 × 10.
36 + 64 = 100.
Das bedeutet nichts weiter, als dass du die dritte Seite immer bestimmen kannst, wenn du die anderen beiden kennst. Vorausgesetzt, es handelt sich um ein rechtwinkliges Dreieck.«
Diesen Abend konnte ich noch lange nicht einschlafen. Viel zu aufgeregt sehnte ich den Morgen herbei. Olli würde begeistert sein, und Tanja erst. Tanja ...
Wir trafen uns auf dem Marktplatz.
»Nun, was habt ihr raus?«, fragte Tanja.
Ich erzählte meinen Freunden von meiner Lösung. Tanja gratulierte mir aufrichtig und mein Herz klopfte vor Freude. Sie war zu demselben Ergebnis gekommen, allerdings hatte sie die Zahlen in die Gleichungen des Pythagoras eingesetzt.
»Ich hatte auch eine Idee«, sagte Olli kleinlaut. »Hat aber nicht geklappt.«
»Was denn?«, fragte Tanja interessiert.
»Mit GPS. Wenn man die Koordinaten eingibt, hätten wir den Messpunkt damit berechnen können, aber Mama meint, unser Gerät wäre zu ungenau. Plus minus drei bis zehn Meter oder so.«
»Damit würde der Schatten des Stabes wohl auf die Westerburgruine fallen«, sagte ich im Scherz, aber Olli lachte nicht, sondern blickte nur trübe vor sich hin.
Ich reichte ihm den Stab. »Ritter Gunther, die Ehre gebührt natürlich Euch!«
Olli strahlte übers ganze Gesicht.
Die Sonne meinte es gut mit uns. Kurz vor zehn hatten wir mithilfe meiner Schnur den Messpunkt gefunden. Tanja schaute auf ihre Armbanduhr und wir alle beobachteten den Schatten, der über den Stadtplan Wollebachs kroch.
»Da wohnt doch der Postmaxe«, wunderte sich Tanja. »Männer sind doch keine Feen!«
»Ist doch noch nicht so weit. Schau. Oh nein!« Olli schluckte.
Unsagbar langsam schlich der Schatten zum Grundstück neben dem des Postboten.
Es schlug zehn.
Wie ein mahnender Finger lag der Schatten auf dem Haus der alten Ursel mit dem Giftblick.
»Das ist nicht wahr!«, ächzte Tanja.
»Vielleicht steht der Stab schief?«, fragte ich Olli.
Der schüttelte den Kopf. »Nie und nimmer!«
»Vielleicht ist die Kladde in Winterzeit geschrieben und wir müssen eine Stunde früher kommen?«
»Ist Winterzeit nicht eine Stunde später?«, fragte Olli.
»Egal«, warf ich ein »Um neun läge er links neben dem Plan und um elf rechts daneben.«
Ausgerechnet die alte Ursel mit dem Giftblick, der wir
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