Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika
hatten genügt. Es waren nicht mehr Gefährten, Collegen, Gelehrte, zur Erfüllung eines wissenschaftlichen Werkes vereint, es waren Feinde, die sich schon mit Blicken maßen, so viel Einfluß haben diese Zweikämpfe zwischen Nation und Nation auf das Herz der Menschen. Eine unwillkürliche Bewegung trennte die Europäer von einander, sogar Nicolaus Palander unterlag dem allgemeinen Einflusse. Nur Michael Zorn und William Emery sahen einander vielleicht mit mehr Traurigkeit als Feindseligkeit an, und bedauerten, sich nicht einen letzten Händedruck vor der Mittheilung des Oberst gegeben zu haben.
Zwei befreundete Landesfeinde. (S. 137.)
Kein Wort wurde gesprochen. Nachdem man einen Gruß ausgetauscht, zogen sich Alle zurück.
Diese neue Situation, diese Trennung der beiden Parteien, mußte die Fortsetzung der Arbeiten schwierig machen, aber unterbrachen sie nicht. Jeder wollte im Interesse seines Landes weiter operiren. Dabei mußten jetzt die Messungen auf zwei verschiedene Meridiane übertragen werden. In einer Unterredung der beiden Chefs wurden die Details festgestellt. Das Loos entschied, daß die Russen auf dem schon laufenden Meridian zu arbeiten fortfahren sollten. Die Engländer sollten sechzig oder achtzig Meilen östlich einen neuen Bogen beginnen, den sie mit dem ersten durch eine Reihe Hilfsdreiecke verbinden würden; dann sollten sie die Vermessung bis zum zwanzigsten Breitegrade fortsetzen.
Alle diese Fragen wurden zwischen den beiden Gelehrten gelöst, ohne etwas Auffallendes herbeizuführen. Die persönliche Rivalität verschwand vor der nationalen. Mathieu Strux und der Oberst wechselten kein unfreundliches Wort und hielten sich in den Grenzen äußerster Höflichkeit.
Die Karawane sollte ebenfalls in zwei Trupps getheilt werden und sollte jeder Trupp sein Material behalten. Doch bestimmte das Loos den Russen den Besitz des Dampfbootes, das man in der That nicht theilen konnte.
Der den Engländern und besonders Sir John sehr anhängliche Buschmann ging mit der englischen Karawane. Der Foreloper, ein ebenfalls sehr verständiger Mann, wurde an die Spitze der russischen Karawane gestellt. Jede Partei behielt ihre Instrumente, sowie eins der doppelten Register, in welche die Ziffernresultate der Operationen bisher eingetragen worden waren.
Am 31. August trennten sich die Mitglieder der ehemaligen internationalen Commission. Die Engländer gingen voran, um ihren neuen Meridian an der letzten Station anzuknüpfen. Sie verließen Kolobeng um acht Uhr Morgens, nachdem sie den Missionsbrüdern für die ihnen erwiesene Gastfreundschaft gedankt hatten.
Wenn einige Augenblicke vor der Abreise der Engländer einer der Missionäre in das Zimmer Michael Zorn’s getreten wäre, würde er gesehen haben, wie William Emery die Hand seines ehemaligen Freundes gedrückt, jetzt durch den Willen ihrer Majestäten, der Königin und des Czaren, sein Feind!
Fünfzehntes Capitel.
Ein neuer Grad.
Die Trennung war vollzogen. Die Astronomen mußten jetzt bei den geodätischen Arbeiten angestrengter thätig sein, doch durfte die Operation selbst nicht darunter leiden. Dieselbe Genauigkeit, dieselbe Strenge mußten auf die Vermessung des neuen Meridians verwandt, die Untersuchungen mit gleicher Sorgfalt gemacht werden. Nur konnten die drei englischen Gelehrten, sich in die Aufgabe theilend, weniger schnell und mehr ermüdend, vorwärts gehen. Was die Russen ihrerseits vollbringen wollten, gedachten sie gleichfalls auf dem neuen Meridian-Bogen zu thun. Die nationale Eigenliebe mußte ihnen im Nothfall bei dieser langen, mißlichen Aufgabe zu Hilfe kommen. Drei mußten die Arbeit von sechs verrichten, deshalb war jeder Gedanke und jede Minute für das Unternehmen nöthig. William Emery war so gezwungen, sich weniger seinen Träumereien, und Sir John Murray weniger seinen Studien des südafrikanischen Wildes zu überlassen.
Man stellte sofort ein neues Programm, das jedem der drei Astronomen seinen Antheil der Arbeit zuwies, fest. Sir John und der Oberst nahmen die zenithalen und geodätischen Beobachtungen auf sich. William Emery ersetzte Nicolaus Palander in der Function des Rechnens. Natürlich entschied man die Wahl der Stationen, die Aufstellung der Zielpunkte gemeinsam, und eine Uneinigkeit stand unter diesen drei Gelehrten nicht zu befürchten.
Der brave Mokum blieb wie vorher der Jäger und Führer der Karawane. Die sechs englischen Matrosen, aus denen die Mannschaft der »Königin und Czar« bestand,
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