Abenteurer sucht Frau fürs Leben
haben! Sie hatte sich derart mit Kuchen und Eiscreme vollgestopft, dass mit einem Malheur zu rechnen war.“
„Schon gut.“ Er schob die Hände tiefer in die Hosentaschen. „Mir ist etwas Merkwürdiges aufgefallen. Alle haben mich umringt und wollten alles Mögliche von mir wissen. Dagegen sind Sie im Hintergrund geblieben. Da Sie der Grund dafür sind, dass ich mich in diesem Dorf aufhalte, wundert es mich, dass Emma nicht Sie zum Star des Abends gemacht hat. Haben Sie eine Erklärung dafür?“
„Sie weiß einfach, dass ich nicht gern im Mittelpunkt stehe. Außerdem hat das Dorf jetzt einen neuen Promi. Sie waren ein voller Erfolg. Und das ist erst der Anfang. Diesem ersten öffentlichen Auftritt werden noch viele weitere folgen, glauben Sie mir.“
„Da bin ich mir nicht so sicher. Für die Signierstunde an sich hatte ich volles Verständnis, aber einige Autogrammjäger waren ziemlich seltsam.“
„Ach, Sie meinen die Bennett-Schwestern? Die beiden betreiben den Zeitschriftenladen und das Süßwarengeschäft an der Hauptstraße. Sie sind eben ein bisschen übereifrig, weil sie seit Neuestem Promiautogramme im Angebot haben. Wenn man erst mal ihr Alter erreicht hat, ist jede Abwechslung im Dorf willkommen. Außerdem war es doch Ihre eigene Idee , medizinische Untersuchungen anzubieten.“
Kyle stöhnte. „Aber doch nur, um Ihre Freunde bei der Gelegenheit wissen zu lassen, wie hart Sie für mein Buch arbeiten!“
„Vielen Dank, aber das ist nicht nötig.“ Sie hielt einen Moment inne, bevor sie mit klarer Stimme voller Zuversicht erklärte: „Ich weiß, wer ich bin. Ich habe mich früh gefunden – schon, als ich sechzehn war. Ich lebe mein Leben so, wie ich es will, und ich bin glücklich damit, mich im Hintergrund zu halten.“
Er musterte sie nachdenklich. Dann reichte er ihr seinen verletzten Arm und hielt dabei Belle mit der anderen Hand fest an der Leine. „Darf ich Sie an diesem schönen Nachmittag zum Haus von Mrs Carmichael begleiten, Miss Hamilton?“
Lili öffnete den Mund zu einer schnippischen Entgegnung, zögerte kurz und nickte dann stumm. Sie hakte sich bei ihm unter. „Wie galant, Dr. Munroe.“ Sie blickte zum Himmel hinauf. Schwaches Sonnenlicht versuchte, durch die schweren grauen Wolken zu brechen. „Das wäre wundervoll. Wenn Sie den Klatsch ertragen, kann ich es auch.“
„Gut, denn die Katze ist sowieso aus dem Sack. Ihre geheime Identität als Orchideenmalerin ist aufgeflogen. Fälscherin oder nicht, jetzt will ich die Wahrheit über das Gemälde wissen, mit dem Sie sich in London so abgeplagt haben. Ich will alles über Ihr Leben als berühmte Künstlerin erfahren.“ Und damit ging er zufrieden weiter, im Schatten der großen Buchen und mit Lili an seiner Seite.
„ Berühmte Künstlerin ?“ Sie lachte. „Wenn es bloß so wäre und ich ein entsprechendes Einkommen vorweisen könnte! Der Galeriebesitzer am Südufer hat zusammen mit meinem Vater die Kunstakademie in London besucht und weiß, dass ich gern Blumen als Motiv wähle. Vor allem Wildblumen.“
Sie blieb stehen und deutete zum Wegesrand, wo ein kleines Büschel leuchtend roter Blumen halb von hohen Gräsern verborgen war. „Wilder Mohn. Er sieht wundervoll zusammen mit Ruprechtskraut aus. Das ist die pinkfarbene Blume ein Stück weiter oben auf der Böschung. Oder mit Himbeerblüten und Hagebutten.“ Sie ging weiter, weil Belle ungeduldig an der Leine zerrte. „Jetzt im Herbst muss ich auf Fotos zurückgreifen, die ich im Frühling aufgenommen habe. Primeln und Narzissen zum Beispiel sind wunderschöne Frühlingsblüher.“
Die Freude in ihrer Stimme wirkte so ansteckend, dass Kyle schmunzelte. Er gab vor, angestrengt die Böschung abzusuchen. „Ich finde gar keine wilden gelben Orchideen. Können Sie mir die zeigen?“
Sie lachte laut auf. „Nicht an diesem Weg.“ Schelmisch boxte sie ihn in die Seite. „Das war eine Auftragsarbeit. Mein Kunde wollte etwas Einzigartiges in einem ganz bestimmten Gelbton. Normalerweise sind meine Werke viel kleiner und detailreicher.“
„Und warum malen Sie die Blumen nicht in Groß?“
„Weil ich grundsätzlich in Lebensgröße arbeite. Bei mir gibt es keine Täuschung. Und wir sind da!“
Unwillkürlich bedauerte Kyle, dass sie ihm den Arm entzog.
Sie bückte sich zu Belle und kraulte der Hündin den Kopf. „Sei ein braves Mädchen. Tante Emma will dich nicht in ihrem Cottage haben. Du bist ihr zu groß und viel zu wild. Lass dir von Onkel Kyle eine
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