Abenteurer sucht Frau fürs Leben
muss sehr talentiert gewesen sein. Noch einmal mein herzliches Beileid.“
Sie sah einen so intensiven Schmerz auf seinem Gesicht, dass ihr der Atem stockte und Tränen in den Augen brannten – obwohl sie geglaubt hatte, keine Tränen mehr übrig zu haben. „Denken Sie auch gerade an jemanden, der Ihnen nahestand? Vielleicht an Lakshimi? So hieß das kleine Mädchen doch, oder?“, fragte sie leise.
Er trat ganz dicht zu ihr und wischte ihr behutsam eine Träne von der Wange. Seine Fingerspitzen fühlten sich rau auf ihrer Haut an.
Ein sanftes Lächeln erhellte Kyles Gesicht. „Ja, so hieß sie. Aber da waren noch so viele andere. Freunde, die auf Berge gestiegen und nie zurückgekommen sind. Leute, denen ich helfen wollte und nicht konnte. Ich lerne meine Patienten genauso gut kennen wie die Ärzte hierzulande. Es ist immer sehr schmerzlich, wenn man zu spät kommt, um etwas bewirken zu können, obwohl sauberes Wasser und ein paar einfache Medikamente gereicht hätten.“ Er schluckte schwer. „Man vergisst sie nie, müssen Sie wissen – die Patienten, die es nicht schaffen. Es sind zu viele.“
Er schüttelte den Kopf, und sein Trübsinn verschwand. Wie eine Maske legte er sein typisch jungenhaftes Grinsen auf und verbarg seine Gefühle dahinter. „Sie sind sehr einfühlsam“, murmelte er. Dann, mit einem letzten Blick auf das Porträt, drückte er Lilis Hand ganz fest, bevor er sich abwandte und aus dem Atelier spazierte.
„Kyle? Warten Sie einen Moment!“
Während sie ihm nachlief, blieb er abrupt stehen und drehte sich auf dem Absatz um. Sie stießen unweigerlich zusammen. Ihre Körper fügten sich auf so natürliche Weise ineinander, als wäre es ihnen vorherbestimmt, beisammen zu sein.
Eine unwillkürliche Reaktion veranlasste ihn, ihr die Hände fest um die Taille zu legen, um sie zu stützen – pure Anziehungskraft ließ ihn länger als nötig in dieser Position verharren. Überdeutlich wurde ihm bewusst, wie unergründlich ihre eisblauen großen Augen wirkten und wie sich ihre Brüste immer schneller hoben und senkten, während ihr Atem schwerer und heißer wurde. Angestachelt von dem Bedürfnis, dieser erstaunlichen Frau ganz nah zu sein, hätte er noch Ewigkeiten so stehen bleiben können.
Doch plötzlich ertönte von draußen lautes Gebell und setzte dem magischen Moment ein jähes Ende.
Kyle hob den Kopf. Sein Blick fiel auf Ruths Porträt. Lili ist ihre Tochter. Was zum Teufel machst du hier eigentlich? Abrupt ließ er die Hände sinken. „Warum sollte ich warten?“
Entschieden schüttelte sie die Benommenheit ab, die sie befallen hatte. Bereits am zweiten gemeinsamen Tag stellte er eine noch größere Versuchung dar, als sie geahnt hatte. Offensichtlich war sie auf dem besten Weg, sich das Herz brechen zu lassen. Wenn er ihr nahekam, fiel es ihr von Mal zu Mal schwerer, sich abzuwenden und sich in Erinnerung zu rufen, dass er allein wegen seiner Arbeit gekommen war. Auch nur eine Sekunde länger in seinen Armen, und sie hätte sich ihm aller Wahrscheinlichkeit nach an den Hals geworfen und eine große Dummheit begangen.
Sie deutete zu dem großen Schrank. „Der Koffer steht auf dem obersten Fach. Können Sie ihn bitte herunterholen? Er ist ziemlich schwer.“ Sie atmete erleichtert auf, als er sich von ihr entfernte und ihr sein reizvoller Duft nicht länger in die Nase stieg. „Und danach ist es Zeit, sich wieder über das Toastbrot herzumachen. Sie brauchen etwas mehr Kohlenhydrate, bevor Sie anfangen, all das zu lesen.“
„Und vor allem Kaffee. Unmengen von Kaffee! Jetzt erzählen Sie mir mehr über das Feathers . Worauf muss ich mich heute Abend gefasst machen?“
7. KAPITEL
„Sie hätten mich davor warnen müssen, dass das ganze Dorf auftaucht! Die Kids haben ja ein gewaltiges Spektakel aufgeführt.“
„Das war doch nicht das ganze Dorf!“, widersprach Lili. „Ein paar Babys sind mit ihren Vätern zu Hause geblieben.“ Sie winkte den johlenden Insassen eines Autos zu, das auf dem Weg von Kingsmede zu Emmas Cottage vorbeifuhr. „Sie müssen zugeben, dass die Mittelschule ein tolles Willkommensplakat für den Eingang gebastelt hat. Und die Fotos von der Fragestunde, die Sie in der Bar abgehalten haben, sind super geworden – vor allem die mit Emmas Nichten.“
Belle gab durch lautes Gebell ihr Missfallen kund, weil Lili stehen blieb, um über einen Fleck auf Kyles Jackett zu wischen. „Ich habe Sie gewarnt, bevor Sie sich Pip auf die Schultern gesetzt
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