Abenteurer sucht Frau fürs Leben
sind kein Problem für mich. Ich kann sie sogar jetzt gleich aus dem Atelier holen.“
Kyle spürte, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte und es von nun an vorwärtsging. Seine Stimmung hob sich augenblicklich. „Das Atelier? Ach ja, das Zentrum des Kunstfälscherhandwerks von Kingsmede.“
„Pst! Haben Sie nicht gesagt, dass Ihre Lippen versiegelt wären?“
Sie lächelte ihn strahlend an, und ihm schien es, als würde die Sonne aufgehen und das Grau in Grau des Wintermorgens vertreiben. Das ist es, was ich brauche – dieses sonnige Gemüt. Vielleicht hörte er sich deshalb zu seiner eigenen Überraschung sagen: „Ich habe noch nie ein Atelier betreten. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie begleite?“
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und erwiderte dann: „Wenn Sie möchten. Allerdings gibt es momentan nicht viel zu sehen. Kommen Sie.“
Kyle musterte sie begierig, während er ihr über die breite Treppe nach oben folgte. Anscheinend war ihr gar nicht bewusst, wie aufreizend sie auch von hinten auf einen Mann wirkte, und er beschloss, den Anblick so lange wie möglich auszukosten.
Sie drehte sich halb zu ihm um und verkündete: „Bevor ich es vergesse – Sie können sich heute Abend auf ein Essen im Restaurant freuen. Meine Patentante hat Ihnen zu Ehren ein Willkommenskomitee im Feathers organisiert.“
„Ausgezeichnet. Ich freue mich darauf, Ihre Freunde kennenzulernen.“
„Freuen Sie sich nicht zu früh! Ich muss Sie regelrecht warnen. Emma ist nämlich dafür verantwortlich, Spenden für das Hospiz einzutreiben. Bestimmt hat sie schon einen listigen Plan ausgeheckt, um Sie bestmöglich zu vermarkten, solange Sie in Kingsmede weilen – vielleicht durch einen Kalender mit nackten Ärzten? Die Oben-ohne-Feuerwehrmänner waren im letzten Jahr sehr beliebt.“
Sie blieb vor einer Tür stehen. „Machen Sie sich darauf gefasst, geblendet zu werden!“, warnte sie, bevor sie die Messingklinke drückte und die Holztür aufstieß.
Der Raum sah ganz anders aus, als Kyle erwartet hatte. Statt der chaotischen Mischung aus grellbunten Farben, die den Rest des Hauses zierten, waren Wände und Decke in Brillantweiß gehalten. Helles Licht strömte durch ein riesiges Fenster und beleuchtete ein einziges Gemälde, das über einem großen weißen Kamin hing. Es war ein lebensgroßes Porträt von Ruth Taylor Hamilton, und es wirkte so lebendig, dass er unwillkürlich zurückschreckte.
Vor lauter Verblüffung dauerte es eine kleine Weile, bis er bemerkte, dass Lili in einem hohen Schrank stöberte. Er holte tief Luft, um sich wieder zu fassen, und lehnte sich an die Wand neben der Tür, um den riesigen Raum auf sich wirken zu lassen. „Hat Ihr Vater hier gearbeitet?“
„Es war sein Atelier, solange ich denken kann. Ich habe immer auf einem zerschlissenen alten Sofa gespielt, das da hinten in der Ecke stand, während er gemalt hat. Im Winter haben wir uns Feuer gemacht. Und manchmal haben wir zusammen gemalt oder einfach nur miteinander geredet. Es war immer ein glückliches Zimmer. Er hat es geliebt, hier zu arbeiten.“
„Sie müssen ihn sehr vermissen.“
Lili blickte ihm ins Gesicht. „Das stimmt. Ich weiß, dass es albern klingt, aber nach seinem Tod bin ich fast jeden Tag hergekommen und habe geschnuppert. Ich brauchte nur den Geruch von Farben und Leinöl einzuatmen, und schon war mein Vater wieder bei mir. Sehr viele schöne Erinnerungen sind mit diesem Raum verbunden. Ich habe hier eine zauberhafte Kindheit erlebt.“
Kyle durchquerte den Raum, um das Porträt näher zu betrachten. Dann beugte er sich vor und studierte die Signatur. „T. D. Hamilton. Ist das Ihr Vater?“, fragte er mit leiser Stimme.
Sie stellte sich neben ihn und musterte versonnen das farbenfrohe Acrylbild. Es zeigte eine sehr hübsche junge Frau in Weiß vor einer Landschaft in Blau- und Grüntönen. Die Energie ihrer Mutter strahlte von der Leinwand, und ihr warmes Lächeln war für die Ewigkeit eingefangen. „Er hat eigentlich keine Porträts gemalt. Meine Mutter war die große Ausnahme.“ Sie blickte zu Kyle und stellte überrascht fest, dass er noch immer auf das Gemälde starrte. „Gefällt Ihnen das Bild?“
Er nickte. „Sehr sogar. Es ist so lebensecht. Ruth war schon viel älter, als ich ihr zum ersten Mal begegnet bin, aber dieses Bild bringt unverkennbar ihre Persönlichkeit zum Ausdruck.“ Er hielt inne und drehte sich zu Lili um. „Aus diesem Gemälde spricht viel Liebe, und Ihr Vater
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