Abenteurer sucht Frau fürs Leben
überhaupt zu?“
Sie antwortete nicht.
Seltsam, dachte Kyle. Es sei denn … Er schnippte mit den Fingern auf ihrer linken Seite. Keine Reaktion. Er schlenderte zu ihrer rechten Seite und half ihr, das Verlängerungskabel aufzurollen. „Ich komme mit Botschaften von Emma. Die gute Neuigkeit ist, dass sie die Gardinen gefunden hat, die du gesucht hast. Die schlechte Nachricht ist, dass der Zitronenkuchen ausgegangen ist. Du musst dich leider mit Schokoladenmuffins zufriedengeben.“
„Sie hätte mich vorwarnen müssen!“, entgegnete Lili mit gespielter Empörung. „Wie soll ich es ohne Zitronenkuchen schaffen, Bilder aufzuhängen, Gardinen anzupassen oder für dich zu tippen?“ Sie drehte ihm den Kopf zu und stellte fest, dass er auf ihr linkes Ohr starrte.
Er weiß es. „Du hast also gemerkt, dass ich Probleme mit dem Gehör habe. Alle Achtung!“ Sie hielt sich die Seitennähte der alten Jeans vom Körper ab und deutete eine ehrfürchtige Verbeugung an. „Ich bin beeindruckt. Die meisten Leute brauchen viel länger dazu. Jetzt weißt du es also – halte dich an meine rechte Seite, wenn ich verstehen soll, was du sagst. Und stell dich links von mir, falls ich etwas nicht hören soll. Dann hast du gute Chancen, dass ich bloß die Hälfte mitbekomme.“
„Hattest du schon immer Probleme mit dem Ohr?“, fragte er mit großem Interesse.
Sie zögerte einen Moment, und er schloss daraus, dass sie nicht oft über dieses Thema sprach.
Schließlich lächelte sie ihn an. „Es mag dich überraschen, aber ich war tatsächlich auch mal in Afrika. Mit sechzehn. Da haben mein Dad und ich meine Mum in den Sommerferien besucht. Sie war gerade zu irgendeiner Medizinerkonferenz an der Küste und konnte sich ein paar Tage freinehmen. Wir hatten eine wundervolle Zeit.“
Sie setzte sich an den Tisch, drehte Kyles Diktiergerät in ihren Händen und erklärte in sachlichem Ton: „Ich bin mit einem sehr interessanten Souvenir nach Hause gekommen. Zumindest haben die Ärzte im Tropeninstitut in London es so genannt. Enzephalitis? Meningitis? Man hat nie genau herausgefunden, was es war, aber ich habe alle Antibiotika verabreicht bekommen, die anerkannt waren. Und dazu ein paar, die noch im Versuchsstadium waren. Ich bin genesen – mit intaktem Gehirn und überwiegend funktionsfähigen Organen, abgesehen von dem einen Ohr. Also alles in allem würde ich sagen, dass ich großes Glück gehabt habe.“
Er stieß einen Pfiff aus. „Ich würde es unglaublich großes Glück nennen. Deine Eltern müssen eine furchtbare Angst um dich ausgestanden haben.“
Lili packte die köstlich duftenden Schokoladenmuffins aus, bevor sie leise erwiderte: „Ich war zu sehr weggetreten, um zu merken, was um mich herum vorging. Aber laut Emma war mein Dad geradezu hysterisch.“ Sie lächelte vor sich hin. „Er hat sogar eine Nachricht an meine Mutter geschickt und sie gebeten, nach Hause zu kommen. So etwas war bis dahin noch nie vorgekommen!“
„Und?“ Kyle setzte sich zu ihr. „Hat sie es getan?“
Sie schüttelte den Kopf. „Es hatte keinen Sinn. Die Nachricht war erst vier Tage später im Feldlager eingetroffen, als ich schon auf dem Weg der Besserung war. Sie hat von der nächsten größeren Stadt aus angerufen, aber ich habe keine Ahnung, was sie zu Dad gesagt hat. Ich weiß nur, dass es mein einziger Urlaub an einem exotischen Ort geblieben ist.“ Sie schob ihm das Gebäck über den Tisch zu und begann, lose Tagebuchblätter zu sortieren. „Ich nehme an, du bist an solche Risiken gewöhnt?“
Kyle knabberte an der Schokoladenglasur eines Muffins und versuchte, eine Antwort zu umgehen. „Mhm, das schmeckt gut! Und wenn ich mich recht erinnere, haben wir über dein Gehör gesprochen. Macht es dir große Probleme?“
„Das willst du gar nicht so genau wissen. Es ist viel zu langweilig. Und ich weiß , dass du zu viel zu tun hast, um mit mir zu plaudern.“
Er hielt eine Hand hoch. „Ganz im Gegenteil. Ich will es unbedingt wissen. Die Arbeit kann ein paar Minuten warten. Bitte! Es interessiert mich.“
Einen Augenblick lang beschäftigte sich Lili schweigend mit den Papieren. Als sie dann sprach, klang ihre Stimme leiser, ruhiger und bedächtiger als vorher. „Okay. Ich fange mit einer Frage an. Wenn du bergsteigen gehst, bleibst du dann manchmal mitten im Niemandsland stehen und lauschst einfach? Und wunderst dich, dass du nichts hörst, was von Menschenhand erschaffen wurde? Nur das Geräusch des Windes und
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