Abenteurer sucht Frau fürs Leben
vielleicht deinen eigenen Atem. Keine Flugzeuge, keine Autos, keine Radios oder sonst etwas aus der modernen Zivilisation.“
Um sich ihren sanften Worten anzupassen, erwiderte Kyle mit sehr leiser Stimme: „Ja. Das ist ein ganz besonderer Moment.“
Sie legte die Ordner vor sich von einer Seite zur anderen. „Das ist es, was ich vermisse. Mir fehlt der Klang der Stille. Und bevor du fragst: Ja, ich habe Spezialisten im ganzen Land aufgesucht und die neuesten digitalen Hörhilfen ausprobiert. Die Ärzte haben keine Ahnung, wie der Schaden entstanden ist oder wie man das Ohrensausen abstellen kann, das sich hin und wieder meldet. Also habe ich gelernt, zu kompensieren. Aber ich werde vermutlich nie wieder den Klang der Stille hören.“
Lili schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln. „Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass mein rechtes Ohr fast unbeschädigt ist. Also kann ich immer noch Vögel oder Meeresrauschen wahrnehmen. Und ich höre so gerne Musik. Wenn ich mich richtig anstrenge, kann ich vieles davon verstehen, was andere Leute sagen – sofern ich mich nicht scheue, mich dicht zu ihnen zu beugen und dadurch manchmal etwas Aufmerksamkeit zu erregen. Und ich kann höchstens zwei Personen zur selben Zeit hören.“
Sie stand auf und blickte aus dem großen Fenster auf die Felder, die sich jenseits des Gartens erstreckten. „Alles in allem würde ich sagen, dass es mich stört, aber es hätte wesentlich schlimmer sein können. Beinahe hätte ich den Infekt nicht überlebt.“
Kyle erhob sich von seinem Stuhl. Im selben Moment drehte sie sich schwungvoll zu ihm um. Sie stieß mit ihm zusammen und geriet aus dem Gleichgewicht. Um sie zu stützen, legte er ihr spontan die Hände auf die Taille.
Unwillkürlich hielt sie sich an seinen Schultern fest. Dabei schaute sie ihm in die Augen und verlor sich in den Tiefen. Sie fühlte sich wie verzaubert durch seinen Blick.
Sie schlug die Lider nieder. Seine Lippen waren voll und weich. Sein Kinn wies bereits am frühen Nachmittag den Anflug von Bartstoppeln auf. Das Hemd stand am Hals offen und enthüllte einen Hauch von Brustbehaarung. Sein Körper musste …
Nein, ich darf nicht daran denken! Hastig blickte sie ihm wieder ins Gesicht, das nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. Ihre Brüste berührten den feinen Stoff seines himmelblauen Hemdes, als er ihre Taille fester umfasste. Seine Berührung löste bei ihr ein Flattern im Bauch aus. Wie von magischen Kräften angezogen, schmiegte sie sich ganz eng an ihn.
„Ich denke, dass jeder selbst für sein Glück verantwortlich ist“, murmelte Kyle.
„Glück?“
„ Wer wagt, gewinnt . Gehst du nie ein Risiko ein?“
„Nur mit dir“, flüsterte sie atemlos.
Er hob eine Hand zu ihrem Nacken, zog ihren Kopf ganz nahe und senkte die warmen weichen Lippen sanft auf ihre.
Die zärtliche Liebkosung vertrieb endgültig ihre Illusion, dass sie diesem Mann auch nur eine Sekunde lang widerstehen konnte. Sie schloss die Augen, als eine Welle der Hitze durch ihren ganzen Körper bis zu den Zehenspitzen lief. Überwältigende Empfindungen drängten alles andere in den Hintergrund.
Sie wollte die Welt anhalten und diesen Augenblick für immer andauern lassen.
Als Kyle den Kuss vertiefte, legte sie ihm die Arme um den Nacken und genoss den Druck seiner Lippen, der sie bis ins Innerste erhitzte. Begierig kostete sie seinen warmen Mund, der nach Kaffee und Schokolade schmeckte, und atmete tief den betörenden Duft nach herbem Aftershave ein.
Schließlich hob er den Kopf, musterte sie zärtlich mit seinen wundervollen nussbraunen Augen und flüsterte atemlos: „So viel dazu, Risiken einzugehen.“ Er zog sie fest an sich, ließ die Hände über ihren ganzen Rücken wandern und streichelte ihre Halsbeuge aufreizend mit der Zungenspitze.
Ein Räuspern ertönte von der Tür her. „Ups! Diese Gardinen müssen wohl warten.“
Lili öffnete die Augen und sah gerade noch Emmas Mantel auf dem Flur verschwinden. Sie löste sich von Kyle und band sich das Haar zusammen, das sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte. „Ich sollte wohl mal nach Emma sehen“, flüsterte sie atemlos.
Er nickte. „Gute Idee. Ich habe auch viel zu tun. Ich muss Fotos sortieren. Wir sehen uns später.“
9. KAPITEL
Kyle lehnte sich auf dem Stuhl im Esszimmer zurück, öffnete eine Computerdatei und versuchte, sich auf seine Erinnerungen in einem fernen Land zu konzentrieren, das er zum letzten Mal vor zehn Jahren besucht hatte. Leider
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