Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
geworden. Was war los mit den beiden?
»Wie konnte er das Haus mieten? Woher kommt der blaue Golf? Ich verstehe das alles nicht«, bedrängte Marie die Polizisten.
Fürbringer nahm einen Anlauf. »Wir haben das natürlich alles abgeklopft. Den Mietvertrag hat er mit seinem Namen unterschrieben, die Miete wurde monatlich auf das Konto des Vermieters eingezahlt. Am Bankschalter.«
»Und der Vermieter hat keinen Verdacht geschöpft?«, fragte Robert – er klang weniger drängend als Marie.
»Warum denn? Viele Menschen machen das so. Solange sie zahlen, ist alles in Ordnung. Das Auto war gebraucht gekauft und bar bezahlt worden. Wenn man das will, kann man so etwas durchziehen. In allen Lebensbereichen.« Fürbringer rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. Er wirkte müde. »Aber Sie haben recht, Frau Lieser. Irgendwann muss er aufgefallen sein. Und das ist er auch.«
»Womit?«, fragte Marie. Sie fand es anstrengend, den beiden alles aus der Nase ziehen zu müssen.
»Er ist vor ein paar Jahren in eine Ermittlung hineingeraten. Es ging um den sexuellen Missbrauch eines Jungen.«
Sexueller Missbrauch. Marie spürte, wie sich in ihrem Innern etwas zusammenzog.
»Dieser Junge kam mit dem Leben davon. Irgendwie war der Täter gestört worden. Anhand der Verletzungen des Kindes konnte man sich allerdings ausrechnen, dass der Täter sein Opfer hatte töten wollen. Es war in einem anderen Teil des Landes. Im Nordwesten. Die Kollegen setzten damals Himmel und Hölle in Bewegung. Sie waren sich im Klaren darüber, dass der, der dem Jungen das angetan hatte, irgendwann wieder zuschlagen würde. Und dann würde er vielleicht nicht gestört werden. Deshalb wollten sie ihn unbedingt haben.«
»O Gott«, entfuhr es Robert. Er griff unterm Tisch nach Maries Hand.
Maries Atmung spielte wieder verrückt. Sie versuchte, sich zu konzentrieren und ruhiger zu werden.
Fürbringer und Bäsch sahen sich an. Sie wirkten auf Marie wie zwei Schuljungen, die ihre Hausarbeiten nicht gemacht hatten und deshalb die Antwort auf die Frage des Lehrers nicht geben konnten.
»Es ist so …« Fürbringer biss sich auf die Unterlippe. »Dieser Tom … Er wohnte schon eine ganze Weile in diesem Haus. Und wir hatten ihn im Visier.«
Marie verstand ihn nicht. »Sie hatten ihn im Visier? Was soll das heißen?«
Fürbringer schaute unter sich. »Frau Lieser, uns tut das sehr leid …«
Bäsch sagte: »Sie wissen ja, dass wir damals, also vor einem Jahr, alle Möglichkeiten in Betracht gezogen haben. Unter anderem haben wir auch die schon auffällig gewordenen Sexualstraftäter überprüft, die im weiten Umkreis gemeldet sind.«
»Soll das heißen …« Marie stockte – das konnte doch nicht sein.
»Natürlich haben wir ihn damals überprüft. Er passte in das Raster rein«, fuhr Bäsch trotzig fort. »Er war ja schon bei dem Missbrauchsfall im Nordwesten in Verdacht geraten. Aber der Verdacht hatte sich damals einfach nicht erhärtet. Fertig. So etwas kommt ständig vor. Wir verlieren die Herrschaften deshalb längst nicht aus den Augen.« Er machte sich offensichtlich weniger Vorwürfe als sein Chef.
»Sie haben ihn überprüft? Und? Warum haben Sie ihn nicht verhaftet?«
Bäsch seufzte. »Wir können doch nicht einfach jemanden verhaften, auch wenn er schon mal wegen einem ähnlichen Delikt in die Ermittlungen geraten ist. In der alten Missbrauchssache galt dieser Tom als entlastet.«
Marie sprang auf. »Sie haben den Mann gehabt, der meinen Sohn entführt hat – und Sie haben ihn wieder laufen lassen?«
Bäsch warf Fürbringer einen Hilfe suchenden Blick zu.
Fürbringer massierte sich den Nacken. »Wir haben ihn nicht gehabt, wie Sie das ausdrücken. Wir haben ihn nur überprüft.«
»Wie übrigens fünfzehn andere auch, die infrage kamen«, fiel Bäsch ihm ins Wort. »Und Sie haben keinen Grund, uns solche Vorwürfe zu machen. Sie haben damals gegen uns gearbeitet. Sie hatten Kontakt mit dem Mann und haben uns das verschwiegen. Wenn Sie uns gegenüber ehrlich gewesen wären, hätten wir ihn geschnappt. Vielleicht hätten wir dann auch eine Chance gehabt, Ihren Sohn zu retten …«
»Frau Lieser, Sie müssen das verstehen.« Fürbringer brachte Bäsch zum Schweigen, indem er sich an Marie wandte. Der Ton seines Assistenten schien auch ihn zu nerven. »Wir haben diese Leute unter die Lupe genommen. Sehr genau. Aber wenn sich herausgestellt hat, dass sie nichts mit der Entführung Ihres Sohnes zu tun hatten, mussten wir sie in
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