Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
zwei Polizisten aus einer Fernsehserie, die er gerne sieht. Pferde haben wir leider nicht, aber ich war schon mal beim Pferderennen. Fußball habe ich früher immer gespielt, mit den Jungs aus meiner Straße. Aber hier habe ich noch niemanden gefunden. Deshalb verbringe ich viel Zeit am Computer. Mein Vater sagt, ich darf keine Ballerspiele machen. Aber heimlich mache ich sie trotzdem. Ich weiß, wie ich sie mir runterladen kann, ohne dass er es merkt … Wenn Du willst, bringe ich es Dir bei. Jetzt ist es spät. Wir essen zu Abend. Schreibst Du morgen zurück? Johann.
Marie konnte sich denken, dass Kevin an diesem Tag nicht mehr antworten würde. Er brauchte Zeit. Deshalb schaltete sie den Computer aus, bevor sie nach unten ging. Es war sicherer. Sie wusste nicht, wie gerissen Robert wirklich war, wenn er hinter ihr herspionierte. Dass er ihr damals sogar bis in den Engscheider Wald nachgeschlichen war, zeigte Marie, dass ihr Mann nicht ganz so arglos war, wie er gern tat.
Marie ging früh schlafen. Umso zeitiger war sie auf und konnte sich, bevor sie zur Arbeit ging, schnell noch bei Schüler- VZ einloggen. Sie war ein wenig enttäuscht, dass Kevin nicht geantwortet hatte. Dabei war ihr doch klar, dass der Junge früh ins Bett musste und vor Schulbeginn sicher nicht an den Computer durfte.
Vielleicht ist ja eine Nachricht da, wenn ich nachmittags nach Hause komme, sagte sich Marie. Sie spürte, dass es ihr gar nicht mehr so sehr darum ging, etwas zum Schutz von Kevin vor dem Freund zu unternehmen. Eigentlich wollte sie so schnell wie möglich wieder in die Rolle Johanns schlüpfen. Sie wollte wieder schreiben können und sich ihrem Sohn nahe fühlen.
Marie beeilte sich an diesem Tag sehr, nach Hause zu kommen.
Robert war noch in der Schule. Sie ließ ihre Tasche im Flur einfach auf den Boden fallen und stürzte die Treppe hoch.
Warum dauerte es bloß immer so lange, bis der Computer hochgefahren war?
Marie wartete ungeduldig. Endlich. Sie wollte ins Netz. Das Kreissymbol erschien. Der PC war noch nicht so weit. Marie zog ihre Schuhe aus und warf sie durch die offene Tür in den Flur. Johann hatte sie immer verboten, mit Straßenschuhen den Teppichboden in seinem Zimmer zu betreten. Nun tat sie es selbst.
Der Computer war so weit. Marie klickte das Symbol des Schüler-VZ an.
Wieder dauerte es. Vielleicht hatte Robert recht: Er hatte schon oft eine schnellere Internetverbindung installieren wollen. Sie war immer dagegen gewesen, wegen der Kosten. Nun würde sie ihn darin bestärken – wenn sie als Johann im Internet unterwegs war, wollte sie schnell sein.
Die Eingabemaske erschien. Marie hatte schon Übung, es dauerte nur Sekunden, bis sie Benutzername und Passwort eingegeben hatte.
Der Computer lud. Wieder wurde Maries Geduld auf die Probe gestellt.
Er hatte geantwortet. Kevin hatte geantwortet.
Marie hüpfte vor Freude. Sie lief hinaus, ging ins Bad, pinkelte, wusch sich Hände und Gesicht. Alles, um den Genuss in die Länge zu ziehen. In wenigen Sekunden würde sie wieder Johann sein.
Sie ging zurück an den PC . Sie machte es sich bequem. Dann begann sie zu lesen.
Hallo, Johann. Ich war heute in der 7 a. Ich habe nach Dir gefragt. Sie sagen, es gibt keinen Johann in ihrer Klasse. Erst dachte ich, sie wollen mich hochnehmen. Doch dann kam der Klassenlehrer. Er ist nicht krank. Er war seit Jahren nicht mehr krank, sagt er. Ich habe ihm von Dir erzählt. Er sagt, ich soll Meldung bei der Schüler-VZ -Verwaltung machen. Wahrscheinlich bist Du ein Erwachsener, der als Johann mit mir in Kontakt treten will. Und ich hatte mich so gefreut, endlich einen Freund gefunden zu haben. Dann stellt sich heraus, alles ist ein Betrug. Der Lehrer sagt, ich soll mit meinem Vater darüber sprechen. Das werde ich auch tun – oder erklär mir, was Du da treibst! Mach schnell! Ich werde nicht tagelang warten. Kevin.
Marie sank in sich zusammen. Das hätte sie sich eigentlich denken können. Alles war viel zu improvisiert. Klar, dass Kevin schnell dahinterkam. Der Junge war ja nicht auf den Kopf gefallen. Wenn sie wenigstens nicht behauptet hätte, an derselben Schule zu sein. Das war ein schwerer Fehler gewesen.
Marie blieb nur ein Ausweg. Sie musste mit Kevin Klartext reden. Auch wenn sie ihn damit überforderte und er womöglich ausstieg.
Lieber Kevin. Es stimmt. Ich bin nicht Johann. Aber ich kenne Johann sehr gut. Johann ist mein Sohn. Er ist vor einem Jahr verschwunden. Johann wurde entführt. Seither bin ich
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