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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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stimmen. Dann werden sie ihn in die Psychiatrie schicken. Und wissen Sie, was die dann mit dem machen?«
    Marie wusste es nicht.
    »Sie werden ihn zu therapieren versuchen. Aber solche Leute sind nicht zu therapieren. Entweder sie wollen es selbst nicht, oder sie wollen es und schaffen es nicht. Dieser Kerl ist gerissen. Er wird das Spiel der Psychiater und Gutachter mitspielen. Und irgendwann wird sich jemand finden, ein Psychiater, der sich alles über die Traumata seiner Kindheit angehört hat. Dieser Psychiater wird glauben, er versteht, woher das Böse kommt. Das Böse kommt vom Bösen. Deshalb ist das Böse auch nicht schuld daran, dass es böse ist. Niemand kann etwas dafür. Es ist einfach da – das Böse. Der Psychiater wird ein kluges Gutachten schreiben und alles auf etwas anderes zurückführen. Dann ist es so weit: Sie werden ihn in den offenen Vollzug entlassen. Wenn er sich anständig aufführt, ist er dann so gut wie frei. Und dann ist das nächste Kind fällig.«
    Marie konnte nicht schlucken. Ihr Hals war trocken wie Sand. »Warum … warum sagen Sie mir das?«
    »Damit Sie wissen, wie es läuft. Vielleicht auch ein bisschen, damit Sie wissen, dass Sie nichts verhindert hätten, wenn Sie sich anders verhalten hätten. Bäsch hat mit einem recht: Sie hätten uns informieren müssen. Aber so schrecklich es klingt: Ihren Sohn hätten wir dann auch nicht mehr retten können.« Er schüttelte den Kopf. »Ach was, ich weiß es selbst nicht.«
    Bäsch hupte. Marie hasste ihn dafür. Und sie fand, dass Fürbringer seinem Assistenten ein respektvolleres Benehmen beibringen sollte.
    Fürbringer ging langsam zu seinem Wagen. Er stieg ein. Sie fuhren davon.
    13
    Marie löschte das Konto von Johann bei Schüler-VZ . Sie begann Sachen, die nicht mehr benötigt wurden, aus dem Zimmer ihres toten Jungen zu räumen. Sie wollte keinen Altar in ihrem Haus. Irgendwann, wenn sie die Kraft dazu aufbrachte, würde sie Johanns Zimmer ganz auflösen und sich ein Arbeitszimmer einrichten. Robert hatte schließlich auch ein Büro im Haus – warum sollte sie das nicht ebenso für sich beanspruchen?
    Kinder würden sie nicht mehr bekommen.
    Nicht weil Marie zu alt dafür gewesen wäre. Nein, sie wollte sich nicht noch einmal in diese Gefahr begeben. Ein Kind gebären, es großziehen, es lieben und es dann eines Abends verlieren. Weil wieder ein Freund durch die Gegend fuhr und ein Opfer suchte.
    Marie würde in ihrem Leben nichts mehr riskieren.
    Nie mehr würde sie sich diese Blöße geben. Nie mehr würde sie so lieben, dass ihr der Verlust das Herz brach. So etwas erträgt ein Mensch nur ein Mal, sagte sie sich, ein zweites Mal würde ich nicht überleben.
    Mit Robert sprach sie nicht darüber. Aber das erübrigte sich auch. Sie waren zu weit voneinander entfernt, als dass sie sich hätten vorstellen können, wieder ein Kind haben zu wollen.
    Zudem sprachen sie nur noch das Nötigste. Sie waren sich nicht gram. Sie hassten einander nicht. Marie glaubte sogar, dass Robert ihr vieles verziehen hatte, was sie nach der Entführung von Johann getan hatte. Es war über ihre Kräfte gegangen – die Entführung, die lange Suche, das Warten und dann die späte Gewissheit, dass Johann tot war, dass er seit Monaten in einem verwilderten Waldstück unter dem Geäst morscher Bäume lag und verweste, während sie jede Nacht weinten und seine Rückkehr herbeisehnten.
    Sie hatten einfach alle Hände voll damit zu tun, wieder auf die Beine zu kommen. Jeder für sich allein. Sie machten Fortschritte. Aber sie hatten keinen Blick für etwas anderes. Es legte sich ein Schleier über das Haus. Es wurde zu einem Totenhaus – auch wenn weder sie noch Robert ihre Trauer zelebrierten. Aber der Tod eines Kindes ist ein so einschneidendes Ereignis, dass es keinen Platz mehr gibt für etwas anderes.
    So lebten sie weiter. Sie waren nicht glücklich und würden es nie wieder werden. Marie fand, dass man auch damit fertig wurde, wenn man sich dessen erst einmal bewusst war. Es war sogar einfacher geworden. Sie quälte sich nicht mehr. Sie machte sich keine Vorwürfe mehr. Sie hatte nicht einmal etwas Substanzielles gegen Robert vorzubringen.
    Es war wie in einem Garten, in dem nichts mehr wuchs.
    Irgendwann sagte Robert: »Jetzt bleibt ihm nichts mehr anderes übrig.«
    Marie wusste, dass er von Tom sprach, aber sie verstand nicht gleich, was er meinte.
    »Er wird den Jungen loswerden müssen. Da er ihn nicht aussetzen kann, ohne dass Kevin ihn

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