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Abgang ist allerwärts

Abgang ist allerwärts

Titel: Abgang ist allerwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Kuhnert
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paar Fragen als Zeuge in einer Sache an mich. Ich war kurzzeitig in die Stadt zurückgekehrt, um an einer Versammlung des Verbandes der Schriftsteller teilzunehmen. Ich hatte mir vorgenommen, den Bezirksvorsitzenden auf meine desolate Lage aufmerksam zu machen und ihn aufzufordern, mich von Seiten des Verbandes zu unterstützen. Schließlich war dieser Verein ja dazu da, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten, so jedenfalls stand es im Statut und so war es auch in wohlgesetzten Worten bei meiner Aufnahme verkündet worden.
    Eine knappe Stunde nach dem Anruf des Polizeioffiziers läutete es und ein Mann mittleren Alters mit einem kleinen schwarzen Aktenkoffer und akkurat gescheiteltem Haar stand vor meiner Wohnungstür. Ich bat ihn herein und bot ihm einen Platz auf meinem kleinen Sofa an. Er zögerte etwas und setzte sich dann mit einem zustimmenden Nicken.
    Es fiel mir auf, dass er teuer und geschmackvoll gekleidet war und das ausstrahlte, was man eine Persönlichkeit nennt. Als er so lässig mit übereinander geschlagenen Beinen dasaß, mit tadellosen Bügelfalten und einer weichen rehbraunen Wildlederjacke, entsprach er überhaupt nicht meiner Vorstellung eines Kriminalpolizisten. Er begann das Gespräch auch gleich mit einer Entschuldigung: Sein Name sei Hauptmann Schwarz und er sei nicht von der Kriminalpolizei, sondern komme von der Hauptverwaltung Aufklärung der Staatssicherheit. Einen Moment verlor ich die Fassung. Ich sah ihn irritiert an. Kam jetzt nach der Welle der Ablehnungen als nächster Schritt die Androhung der möglichen Konsequenzen? Der Hauptmann musste die Angst in meinen Augen gesehen haben, denn er lächelte und winkte beruhigend ab. Er sei lediglich mit einer Bitte hier.
    Ich hatte mich wieder gefangen, setzte mich ihm gegenüber auf meinen einzigen Sessel und sah ihn misstrauisch an. Er versuchte das Gespräch möglichst unbefangen zu beginnen: Ich würde doch sicher bald wieder nach West-Berlin fahren und dort auch die junge Juristin treffen, deren Vater ja beim Senat arbeite. Sie würden gern mit der jungen, attraktiven Frau in Kontakt treten, ob ich das nicht ganz unverbindlich vermitteln könne? Nach der kurzen Angst stieg jetzt Wut in mir auf: Sie glaubten tatsächlich, sie könnten mich zum Anwerber der Staatssicherheit machen? Schon der Versuch mir das zuzumuten, verschlug mir zunächst die Sprache. Einen Moment herrschte gespanntes Schweigen, dann wies ich das Ansinnen des weltmännischen Hauptmanns mit höflichen aber bestimmten Worten zurück. Natürlich wollte er den Grund für meine Ablehnung wissen. Also erklärte ich ihm – immer noch etwas unsicher -, dass diese Doppelgesichtigkeit meiner Auffassung von Ehrlichkeit und ja, auch meinem Begriff von Ehre widerspräche. Jetzt verlor der geheime Hauptmann kurz die Fassung: Ob ich glauben würde, dass er keine Ehre habe, erwiderte er in mühsam beherrschtem Ton.
    »Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte ich, »aber – verzeihen Sie – offensichtlich unterscheidet sich meine Ehre von der ihren«, sagte ich zögernd und sah ihm ins Gesicht. Der aufklärende Offizier schien über diesen Satz erstaunt zu sein. Er dachte kurz nach, dann nickte er wortlos, stand auf, nahm seinen Aktenkoffer, in dem sich sicher ein Aufnahmegerät befand und gab mir etwas steif die Hand. »Es ist ihre Entscheidung, aber es wäre besser für Sie, wenn Sie dieses Gespräch für sich behielten«.
    So ganz geschlagen wollte er sich dann doch nicht geben. Ich sollte zumindest wissen, dass sie am längeren Hebel saßen. Und sie würden mich nicht mehr aus den Augen lassen, soviel war klar.
    Wer sich verweigerte, sollte wenigstens verunsichert werden.
    Ich ließ den letzten Satz des unerwünschten Besuchers unbeantwortet und begleitete den makellos gekleideten Hauptmann der geheimen Aufklärung wortlos zur Wohnungstür. Ich sah ihn nie wieder.
XVII.
    A uf der Versammlung der Hauptstädtischen Schriftsteller war wie üblich die erfolgreiche Verbandsarbeit der letzten Monate gelobt worden. Es seien noch mehr Kolleginnen und Kollegen in die befreundeten sozialistischen Bruderstaaten, aber auch ins kapitalistische Ausland zu Studien- und Lesereisen delegiert worden und die steigenden Buchauflagen spiegelten eindrucksvoll den Begriff Leseland DDR . Diese Zahlen würden die Behauptung des Klassengegners von einer angeblichen Krise der Literatur in unserer Republik Lügen strafen. Mit diesen Worten hatte einer der stellvertretenden Vorsitzenden seinen kurzen

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