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Abgang ist allerwärts

Abgang ist allerwärts

Titel: Abgang ist allerwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Kuhnert
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Geschäfte konnte sie immer gut machen, das hat die von da, wo sie herstammt, wussten die Frauen im Dorf. Und jetzt machte ihr Sohn Josef gute Geschäfte, nicht hier, sondern irgendwo in Thüringen. Die alte Reimann lebte mit ihren Kruzifixen, Marien- und anderen Heiligenbildern schon lange allein im Gärtnerhaus.
    Ich war ihr einige Male auf ihrem Weg zum Einkauf begegnet. Sie hatte immer ein kleines Wägelchen mit quietschenden Rädern hinter sich hergezogen, aber nie mit den anderen Frauen im Laden oder vor dem Schloss ein paar Worte gewechselt.
    »Was soll man mit der auch reden, die unterhält sich doch bloß mit ihrer Jungfrau Maria und eigentlich hat die nie so richtig hierher gepasst. Ist eben ein anderer Menschenschlag«, hatte mir Gottfrieds Frau erklärt, als sie ihrem mauernden Ehemann einmal das warme Mittagessen zu meinem Haus gebracht hatte.
    Auf mich hatte die zierliche, dunkel gekleidete Frau, einen eher ärmlichen Eindruck gemacht. Die Frauen im Dorf waren da anderer Meinung: »Die hat bestimmt mehr Geld in ihren kathol´schen Strümpfen als unsereiner, aber das hebt die alles für ihren Sohn auf, sie hat ja nur den einen.«
    Und dieser eine Sohn hatte vor Wochen im Hof des alten Gärtnerhauses gestanden und für den Verkauf aussortiert, was er nicht verbrannt hatte: Möbel, Hausrat, Gartengeräte.
    Die alte Reimann war eines Morgens nach einem Schlaganfall mit dem Rettungswagen ins Kreiskrankenhaus gefahren worden.
    »Die wird wohl nicht wiederkommen«, hatten sie im Dorf orakelt.
    »Ja, leider«, hatte Josef gesagt. »Meine Mutter wird wohl in ein Heim müssen, wenn sie es überhaupt übersteht.«
    Aber das Haus habe er wenigstens günstig verkaufen können, hatte er zu Gisbert gesagt, als der ihm die zahlreichen ärztlichen Amtsformulare für seine Mutter überbracht hatte.
    Nachdem die alte Reimann mit Blaulicht abtransportiert worden war, hatte im Garten hinter dem Haus zwei Tage lang ein beißend rauchendes Feuer gebrannt. Nur die Heiligenbilder waren verschont geblieben, obwohl die hier keiner haben wollte. Ein paar Tage später war der Sohn wieder nach Thüringen gefahren und es war, als sei die alte Reimann bereits gestorben.
    Und nun war sie ins Dorf zurückgekehrt. Das Quietschen des Wägelchens, das wie durch ein Wunder dem Feuer entgangen war, hatte ihre Anwesenheit verraten. Ja, es war die katholische Maria, die ihn wieder hinter sich herzog, als sei nichts geschehen.
    »Die mit ihrem eisenharten Schädel! Was will die noch hier? Ins Haus kann sie nicht mehr, der neue Besitzer gibt den Schlüssel nicht raus. Wär er ja auch schön blöd. Da bleibt ihr nur der Stall, wo früher mal die Hühner drin waren, da kann sie jetzt ihre Heiligenbilder aufhängen. Sie hat niemanden und nichts mehr hier, nicht mal das Geld vom Haus, das hat sich ihr Sohn, der Josef, in die Tasche gesteckt. Und wer weiß, ob das alles mit rechten Dingen zugegangen ist, denn so ganz sauber ist ja der Josef auch nicht. Aber ändern kann die Alte an der Sache nichts mehr. Und wenn sie hundert Ave Maria betet.« Enrico hatte lautstark das große Wort am Nachbartisch geführt und die anderen hatten zustimmend genickt. Und der alte Erwin hatte ein Kreuz in die Luft gemalt und Amen gesagt.
    »Der Josef hat´s richtig gemacht, der ist beizeiten abgehauen, weil sie ihn hier nich wollten, der war klüger als seine Mutter«, murmelte eine leise Stimme hinter mir. Ich hatte ganz vergessen, dass Rudi ja immer noch mit mir am Tisch saß. »Vielleicht hau ich auch ab. Ich weiß bloß nich, wohin. Egal: Schweine gibt´s ja überall. Aber meine Agnes würde mir wahrscheinlich den Marsch blasen.«
    Vom Nachbartisch war Gelächter zu hören. Enrico bestellte eine neue Runde, diesmal lud er auch Rudi ein. Ich stand kurzerhand auf und verabschiedete mich. Wieder auf der Dorfstraße, die nur spärlich von den wenigen vereinzelten Lampen erleuchtet war, musste ich an die alte Reimann denken, die trotz aller Feindseligkeit ins Dorf zurückgekehrt war und die nun in ihrem ehemaligen Hühnerstall schlief, gleich neben dem Haus, das ihr bis vor wenigen Monaten noch gehört hatte, und ich fragte mich, ob sie trotz allem, was ihr widerfahren war, und was ihr Sohn Josef ihr angetan hatte, noch immer betete: Gegrüßet seist du Maria voll der Gnaden, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Weibern und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes…
XVI.
    E r hatte sich telefonisch angemeldet. Er sei von der Kriminalpolizei und hätte ein

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