Abgehauen
die weiß ich wer alles unterzeichnet oder die im Namen von Unterzeichnern jemand abgeben würde, zum Beispiel im Fernsehen bei uns, ruhig und scharf, ohne dabei sich selber ins Gesicht spucken zu müssen. Das kön nen wir nicht tun, wir können nicht sagen: Das, was wir vor zwei Tagen geschrieben haben, denken wir heute nicht mehr.
Thate sagt,
das sei diskreditierend für uns.
Wolf:
Ich meine, wer es will, soll es sagen. Das ist klar. Wenn Cremer und Schall wollen, sollen sie’s sagen. Ich hab nichts gegen solche Zurücknahmen empfunden, weil ich Verständnis dafür habe. Es gibt auch Angst, das ist ein ernster Faktor. Aber wenn es möglich ist, das zu machen …
Lamberz:
Der Fritz Cremer macht das doch nicht, weil er Angst hat.
Wolf:
Ist auch egal. Ich unterstelle ihm nichts. Wirklich nichts. Ich halte ihn für einen sehr anständigen Mann.
Lamberz:
Der sagt, was er denkt. Und der sagt das genauso im Politbüro. Den hab ich schon in Situationen erlebt …
Wolf:
Du, die Menschen sind komplizierter. Aber gut, darum geht’s nicht. So, das ist jetzt mein Vorschlag. Ich weiß nicht, ob das für euch akzeptabel ist.
Heym:
Die Voraussetzung dafür ist zunächst mal, daß unsere Erklärung überhaupt in einem DDR-Organ, im NEUEN DEUTSCHLAND endlich, abgedruckt wird, damit die Leser und die Bevölkerung der DDR genau wissen, was wir gesagt haben. Dann können wir dazu sagen: Wenn diese Erklärung vom Westen mißbraucht wird als Propaganda gegen die DDR, so distanzieren wir uns von solchen Propagandaversuchen.
Wolf:
Das meinte ich natürlich, daß diese Erklärung sozusagen verlesen wird von den Betreffenden.
Heym:
Und gedruckt im NEUEN DEUTSCHLAND.
Wolf:
Wir haben uns veranlaßt gesehen, das auch an westliche Agenturen zu geben, wir erleben jetzt den Mißbrauch – also, ich improvisiere, nicht? – dieser Erklärung und unserer Namen. Und wir erklären hiermit aufs allerschärfste – ohne was zurückzunehmen, das brauchen wir gar nicht zu sagen oder was –, daß das und das und das unser Standpunkt ist. Zum Beispiel zu unserem Staat, zum Beispiel zu dieser Presse da drüben und all diese Sachen.
Heym:
Aber auch zu unserem Nichtübereinstimmen mit Ihrer Entscheidung.
Wolf:
Das steht ja in der Erklärung, das brauchen wir nicht noch mal zu sagen.
Krug:
Wie schizophren das alles ist. Erst rechnen wir mit dem Mißbrauch, damit die Erklärung öffentlich wird und Publi zität erlangt, die wir bei uns nicht erlangen konnten, und dann … Ich glaube, jeder einzelne ist sich hier klar darüber: Wir hätten in Einzelgesprächen, in netter, freundschaftlicher Form mit euch darüber reden können. Jeder schön einzeln. Das wäre alles ganz prima gelaufen. Leise und unauffällig. Nun haben wir uns aber entschlossen, diesen für uns alle sehr schmerzhaften Weg zu gehen. Sehenden Auges, denn wir wußten vorher, daß es mißbraucht werden würde, deshalb haben wir’s ja dem Klassenfeind gegeben. Der hat jetzt seine Schuldigkeit getan und wie erwartet mißbraucht, jetzt hat es Publizität, da setzen wir uns schizophrenerweise hin und hecken aus, wie wir den Mißbrauch … äh … verteufeln können.
Adameck:
Aber Manne, die Frage ist doch die …
Krug:
Ich sag das nur, damit wir uns nicht lächerlich machen.
Wolf:
Ich würde diese Erklärung auch nicht für die Springer-Presse machen, sondern für die Genossen bei uns, die wissen sollen, wo wir stehen, die nicht plötzlich denken sollen: Was ist mit denen los?
Becker:
Werner, ich halte es für ganz wichtig, es geht gar nicht anders, wenn ich nicht lächerlich werden will. Wenn heute in der Zeitung steht: Die Leute distanzieren sich von etwas, das kein Leser kennt … Wir können nicht gegen den Mißbrauch von etwas protestieren, das die Leser nicht kennen. Das heißt, das Ding muß rein, sonst hat das alles keinen Sinn.
Adameck:
Nein. Jurek, paß mal auf. Einige Töne habe ich mir jetzt gemerkt. Ihr müßt ja wirklich wissen, was ihr wollt. Wollt ihr – und das hat hier stattgefunden – gehört werden? Soll ein Gespräch stattfinden? Die Probleme, die wir auch sehen, und das müssen wir euch ganz ehrlich sagen, sehen wir anders. Und da sind auch ein paar Illusionen drin über … du hast ja schon so ein paar Töne angeschlagen …
Becker:
Ich sag haargenau, was ich will. Ich kann dir das in einem halben Satz sagen: Ich will den Biermann wieder
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