Abgehauen
mir schaudert noch heute – ich will nicht wieder zurück, das ist hier alles gesagt worden –, mir schaudert noch heute, ich kriege noch heute Schweißausbrüche, wenn ich daran denke, wie nicht nur ich, sondern ein ganzes Parteiaktiv im DEFA-Studio von dem damals für Kultur verantwortlichen Genossen, der auch heute noch in einer hohen staatlichen Funktion ist, unter Druck gesetzt worden ist. (Er meint den Ärger um seinen Film »Spur der Steine«.) Das ist der Punkt, warum ich zum Beispiel als Mitglied der Partei, der nie, auch nicht in den Zeiten meiner größten ideellen und persönlichen Not – mit persönlicher Not meine ich nicht materielle Not etwa, aber es gibt ja auch eine andere Not –, der nie einen Schritt gemacht hat in die Öffentlichkeit, schon gar nicht in diese Öffentlichkeit, und der auch an dieser Stelle zunächst zu seinem Parteisekretär gegangen ist, zu seinem staatlichen Leiter und ihm mitgeteilt hat, was er zu sagen hatte. Aber es sind in diesem Zusammenhang wieder Dinge geschehen, die für mich diese grauenhafte Vorstellung aufgebracht haben von damals, und ich sehe auch schon, was hier heute steht. Was soll morgen geschehen? Hier ist das Wort »Plattform« gefallen. Was soll morgen geschehen? Gibt es nun nach eurer Meinung eine »Plattform« inzwischen? Und ist es nun sozusagen für jeden einzelnen von uns das beste, uns von dieser Plattform – so wie Ekkehard Schall und …
Krug:
Rauch …
Beyer:
Fritz Cremer – zu entfernen? Zu widerrufen? Oder? Ich meine, hier sind nicht alle Parteimitglieder. Ich bin Parteimitglied und bin ganz sicher, ich bin ganz sicher, daß so etwas gefordert wird von mir. Gleich morgen. Und ich werde es nicht tun können. Ich werde es nicht tun können. Auch wenn ich ab übermorgen keinen DEFA-Film oder für ein Jahr oder für fünf oder für zehn Jahre keinen DEFA-Film machen kann. Ich werde es nicht tun können. Ich will das nur sagen, weil ich persönlich der Meinung bin, daß jetzt an dieser Stelle vielleicht als erstes von uns erklärt werden kann, daß keine Unterschriften gesammelt werden, und daß es keine Eskalation in dieser Angelegenheit geben soll. Weil diese Frage vorhin hier gestellt worden ist. Nur um einen ersten Schritt … Ich weiß nicht, also der Dialog, der hier geführt wurde, ist ja sozusagen stellenweise in Konfrontation ausgebrochen …
Müller:
Das hat ‘n Dialog manchmal so an sich.
Heym:
Ich möchte eben erwähnen, daß ich dem Genossen Lamberz dankbar bin für seine versöhnlichen Worte, selbst wenn sie gegen Ende hin so waren, daß man die Drohung deutlich spürte.
Lamberz:
Was für eine Drohung?
Sensberg:
Darf ich sagen, daß es eine normative Kraft des Faktischen gibt, ja? Es ist ein Prozeß in Bewegung gesetzt. Von Ihnen. Und es ist jetzt ein Prozeß von uns in Bewegung gesetzt. Ich nehme das auf mein Verständnis, daß ein Kampf begonnen hat. Darf ich das für mich ganz alleine sagen: Sie haben einen Standpunkt veröffentlicht, der ich weiß nicht zu was fuhren sollte. Ich sage noch mal: Wenn man überlegt, Biermann zurück, ja? Biermann zurück bedeutet, daß die Regierung der DDR nicht nur einen Beschluß aufhebt, sondern ein neues Gesetz machen muß. Wenn man sich mit dem Gesetz beschäftigt, wird man sehen, daß es gegen die Ausbürgerung keine rechtlichen Mittel des Einspruchs gibt, sondern es gibt nur eine Wiedereinbürgerung. Oder wir müssen eine Lex Biermann machen, ja? Das wäre eine Möglichkeit, aber es wäre keine Möglichkeit, die wir machen werden, glaube ich, unter dem Druck des Gegners. Und der Gegner hat sich der Sache angenommen. Ich glaube nicht, daß dieses Land unter dem Druck des Gegners eine Lex Biermann machen wird. Ich spreche von einer normativen Kraft des Faktischen. Das Faktische ist, daß es eine Bewegung gegeben hat, die heißt Protestbewegung gegen die DDR, ja? Und dieses Wort hat leider in der Sache dringestanden. Ich hab’s nicht reingeschrieben. Es ist zwar wahr, daß wir einen anderen Standpunkt haben, daß ich es sogar für legitim halte, daß es Menschen gibt, die einen anderen Standpunkt haben als er im NEUEN DEUTSCHLAND ausgedrückt worden ist. Wobei ich für mich mal sagen möchte: Ich taste nicht die Vergangenheit, die intellektuelle und die antifaschistische Vergangenheit von irgend jemand an, und ich bitte, nicht die Sauberkeit und auch die Vergangenheit eines mir gut bekannten Mitarbeiters des NEUEN DEUTSCHLAND anzutasten, der auch einen
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