Abgehauen
aber ich habe mehrere internationale Pressekonferenzen gemacht. In Wien, in Paris, da war ich noch ein ganz junger Spund, und hab mich auseinandergesetzt mit den Leuten. Ich kenne das auch ein bißchen und weiß, wie man reagieren kann und wie man reagieren muß unter den Bedingungen. Das, was ich persönlich nicht verstehe, er hat ja auch überlegt: Er geht dort hin. Was macht er dort? Wie ist seine Konzeption für diesen Abend?
Plenzdorf:
»So oder so – die Erde wird rot!«
Lamberz:
Wo lagen denn die Angriffe an diesem Abend? Lagen die gegen die ändern? Oder lagen die gegen uns!
Krug:
Wo die Angriffe gelegen haben, das kann man unschwer daran erkennen, wo auf dieser 7000-Mann-Veranstaltung, vor allem nach der Pause, der Schwerpunkt bei den Zwischenrufen gelegen hat. Ich glaub, da hätte mir auch das Wasser im Arsch gekocht. Hör dir die Einwürfe an. Da hast du zwei, drei Einwürfe von DKP-Leuten, wobei der eine davon, dieser Luft schnappende junge Mann, entsetzlich schlecht war. Die anderen schienen ganz harte, reaktionäre Leute zu sein, die unentwegt »Polizeistaat« und solche Sachen auf der Pfanne hatten. Aber das war das, was er dort verbal zu verteidigen hatte. Das habe ich mir angeguckt, und ich finde, das hat er getan. Er hat mit diesem Abend eine ungeheure linke Veranstaltungsreihe in Westdeutschland gestartet. Wir haben ihm durch den Rausschmiß zu einer zusätzlichen Publizität verholfen, was die Sache geradezu gigantisch macht. Vier Stunden im Fernsehen. Nicht wir haben ihm verholfen, nicht unser Clübchen hier, sondern die Regierung. Er hat die größte linke Veranstaltung gelandet, die es je gegeben hat.
Becker:
Wißt ihr, daß die CDU verhindert hat, daß die Sendung um 20.15 stattfindet?
Krug:
Das ist interessant.
Lamberz:
Vor dem Rausschmiß waren alle Fernsehstationen da und haben das aufgenommen. Die hatten auch ohne die Ausbürgerung geplant, das zu senden.
Plenzdorf:
Wie habt ihr das rausgefunden?
Lamberz:
Wir hatten nämlich nicht nur einen Guillaume.
Wolf:
Das glaube ich, Genosse Lamberz.
Lamberz:
Es gab schon Veranstaltungen, wo das Programm klar war. Ich kann auch eine Reise beginnen mit einem Solidaritätskonzert. Oder ich kann eine Reise beginnen, wo ich ein bißchen auch die andere Seite akzeptiere. Oder ich kann eine Reise so beginnen. Die Lieder waren ja schon zum großen Teil bekannt, aber die verbalen Ausfälle sind dort gemacht worden.
Krug:
Die schmerzhaften Lieder waren doch nicht die neuen, sondern die altbekannten.
Wolf:
Genosse Lamberz, mir ist, ich glaube 1970 oder 1971, ich weiß jetzt nicht mehr so genau, in welchem Jahr, von einem Rundfunkredakteur gesagt worden: Also, Sie können hier ‘ne Stellungnahme gegen sonstwas abgeben, von mir aus gegen den Vietnamkrieg – wir können das nicht senden. Das hat mich sehr geschmerzt. Ich hab’s auch nicht vergessen können. Vor zwei Jahren haben wir diesen Band gemacht beim Deutschen Verlag: »Chile – Gesang und Bericht«. Da hatte Biermann ein Gedicht eingereicht. Diesesselbe, was er …
Heym:
… Das vom Kameramann … Unidad popular …
Wolf:
… jetzt also in Köln gesungen hat. Das hat er eingereicht. Ich war im Redaktionskollegium und war dafür, es zu druck en. Mit der Begründung, daß ich zwar in vielen Punkten nicht mit Biermann einverstanden bin – das liegt also schriftlich vor. Drei Stunden war der Verlagsleiter vom Mitteldeutschen Verlag bei mir, um mich umzustimmen … Ich finde aber, wenn es sich um den Faschismus handelt, dann geht’s um eine antifaschistische Einheitsfront. Und da sie Leute von auswärts dazugenommen haben, die überhaupt nicht Kommunisten sind und auch sonst gar nichts mit uns zu tun haben … – warum nicht den Biermann? Mit diesem ganz eindeutigen und noch dazu guten Gedicht? Es ging nicht. Er kam nicht rein. Ich bin daraufhin aus dem Redaktionskollegium ausgetreten, und zwar eingedenk dessen, was mir damals passiert ist. Und solche Sachen, weißt du, das vergißt einer auch nicht. Das sind so Sachen, die irgendwie eine Entwicklung mitprägen, ja? Es geht mir wirklich jetzt nicht darum zu sagen, ihr habt schuld, daß er so geworden ist. Es hat jeder immer selber mit schuld, wie er wird, das weiß ich ganz genau. Und es gibt immer Möglichkeiten, sich auch woanders noch zu orientieren, woanders hinzugehen, andere Meinungen zu hören. Und ich werfe dem Biermann vor, daß er das ganz bestimmt nicht
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