Abgehauen
in genügendem Maße getan hat. Das alles gehört zu meiner Kritik an ihm. Aber das alles wischt auch das andere nicht aus, wie einer dann so wird. Und wir sind nun mal Autoren. Neulich hat mir einer vorgeworfen: Jetzt kommst du mit Psychologie! Das war auch ein Autor. Da mußte ich sehr lachen, weil: das ist ja unser Arbeitsfeld. Also wenn wir, wenn wir nicht versuchen, auch zu verstehen, was in den Köpfen und in den Nervenfasern der Leute vorgeht, ja wer sollte es dann tun?
Lamberz:
Wenn die Politiker die Psychologie vergessen, dann vergessen sie auch einen wichtigen Teil ihrer Arbeit. Wir sind doch eine Gesellschaft mit …
Wolf:
… in Widersprüchen. Und genau das wollen wir ja eigentlich ausdrücken. Wir sind eine Gesellschaft in Widersprüchen, und wir wollen uns auf die produktive Seite des Widerspruchs stellen. Und das ist mein Kampf seit vielen, vielen Jahren, und es gibt dabei Rückschläge, und es gibt alles dies und alles jenes. Man kommt wieder drüber hinweg, man hat wieder ein neue Phase und so weiter, ja?
Lamberz:
Sieh mal, das alles kann man debattieren, soll man debattieren. Aber: Ihr, die ihr im Volk wirklich bekannt seid und einen Namen habt, und manche von euch sehr populär sind, müßt natürlich auch wissen, wie man einen solchen Schritt macht wie den der Resolution. Es ist ein Unterschied, ob ich in einer öffentlichen Diskussion das verlange, ob ich mich an jemand wende, ob ich persönlich einen Brief schreibe, oder ob ich eine solche Sache mache mit allen ihren Konsequenzen. Das kann man abschätzen, das kann man überlegen und so weiter …
Heym:
Ich wundere mich, wie ihr darüber redet, wie es bei uns mit der Öffentlichkeit ist. Die Öffentlichkeit ist in Ihrer Hand …
Lamberz:
Nein! Die ist nicht in meiner Hand! Pardon!
Heym:
Ich meine jetzt, in der Hand des Politbüros, wo Sie die Presse unter sich haben …
Lamberz:
Erstens mal … erstens mal ist für Sie die Öffentlichkeit alleine die Zeitung? Die Öffentlichkeit ist das ganze gesellschaftliche Leben. Was bei uns in der Jugend, in den Gewerkschaften und überall, auch in der Schule, sicherlich unterschiedlich, debattiert wird, das ist doch auch Öffentlichkeit. Oder nicht? Und wo sind die konstruktiven Vorschläge? Ich kenne niemand in diesem Raum, der dem verantwortlichen Leiter der Agitation oder Karl Sensberg als dem Sekretär der Kommission oder mir einen Vorschlag gemacht hätte, man muß das und das und das machen. Jedesmal, wenn sich jemand an mich gewandt hat – ob das Krug war oder Becker oder Beyer in komplizierten Dingen –, haben wir uns getroffen. Stimmt’s? »Jakob der Lügner« haben wir diskutiert? Haben wir unterschiedliche Meinungen gehabt? Sind wir zu Lösungen gekommen? War alles möglich! Aber ein Vorschlag für die oder jene Diskussion ist mir nicht bekanntgeworden. Ich weiß nicht, was Sie vor dem IX. Parteitag eingereicht haben, um zu sagen, dieses Problem müßten wir mal zur Parteidiskussion stellen.
Gut, ich muß gleich weg. Ich fahr jetzt schon 160, aber mit dem VOLVO kann man das ja fahren …
Schlesinger:
Moment, eine Sache möchte ich noch … Die Unterschriften, die jetzt noch kommen können. Da kam zu mir einer aus Jena hochgefahren, den ich gar nicht kenne, ein unbekannter Mensch, der mühsam die neue Adresse rausgekriegt hat, der hat gesagt: »Die haben Unterschriften gesammelt bei uns, da ist einer verhaftet worden …«
Heym:
So weit geht das also …
Schlesinger:
Ein Arbeiter aus Jena, ein Zeiss-Arbeiter. Und ich habe gesagt: »Warum sammelt ihr Unterschriften? Hättet ihr Willenserklärungen gemacht, ohne Unterschriftensammlung. Das müßt ihr wissen.« Er: »Das wußten wir nicht. Wir wollten uns aber solidarisieren. Und wir meinen das auch.« Und ich habe gesagt: »Hört auf damit, macht das nicht über diese Sache, schreibt, wenn ihr ‘ne andere Meinung habt, dann schreibt ans ZK oder so.« Das haben wir also gestern schon gemacht. Für unsere Resolution haben wir ja nicht umsonst nur Leute genommen, die unabhängig waren.
Lamberz:
Wie viele Unterschriften kann man noch erwarten?
Schlesinger:
Ich weiß es nicht!
Lamberz:
Ehrlich!
Schlesinger:
Ich schwöre Ihnen! Ehrlich! Sie mißtrauen mir … Ich weiß es nicht!
Adameck:
Mal eine konsequentere Frage: Wie viele Unterschriften werden weitergegeben?
Schlesinger:
Keine Ahnung.
Lamberz:
Es liegen ja schon welche
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