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Abgehauen

Abgehauen

Titel: Abgehauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krug
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auch erwähnt in seinem Buch DIE REVOLUTION FRISST IHRE KINDER oder wie das heißt. Ich kenne ihn seit April ‘45, er gehörte zu den ZK-Beauftragten, die mit der Gruppe Ulbricht kamen. Wir waren jahrelang befreundet, er war ein so überzeugter Mann, ein so intelligenter Mann, wir stimmten in jeder Nuance der Linie vollkommen überein. Jetzt sehe ich ihn manchmal im Westfernsehen … Es ist zum Speien.« Ich: »Ja, es ist erstaunlich, wie ein Mensch so dauerhaft im Gespräch bleiben kann, nur weil er mal zur Gruppe Ulbricht gehört hat. Es scheint, er wird bis zur Rente DDR-Fachmann bleiben, obwohl er ein Vierteljahrhundert nicht hier war. Solche Leute muß man nicht miteinander vergleichen. Wie fanden Sie denn das Fernsehinterview von Reiner Kunze?«
    Gerstner: »Kein Mensch kannte Kunze. In meinen Journalistenkreisen wußte keiner, wer das ist.« »War er hier auf dieselbe Weise unbekannt wie Biermann?« »Jetzt vergleichen Sie die falschen Leute«, sagt Gerstner. »Biermann ist etwas anderes, er ist der Majakowski unserer Tage.« Dann kommt er auf seinen Auftrag zurück, mein Weggang sei schmerzlich, wie gesagt, ich sei eben auch in den Schichten beliebt, die unserem Land noch immer kritisch gegenüberstehen. Er sagt: »Und wenn Ihr Gespräch mit Lamberz noch so unerfreulich war, eine Geste mußten Sie machen, eine Geste des guten Willens, ein Wort, daß Sie in diesem Lande leben und weitermachen wollen.« Ich: »Das habe ich getan.« Ich suche in meinen Papieren eine Ansprache hervor, die ich Anfang Dezember ‘76 den Genossen Lamberz und Adameck gehalten habe. Frank Beyer und ich waren damals vorgeladen worden. Wir hatten einen Drehtag abgebrochen und kamen mittags im Zentralkomitee an. Ein Riesenkerl mit leerem Gesicht holte uns am Portal ab, schloß den Fahrstuhl auf, wir fuhren hinauf, gingen an mehreren in martialischer Grätsche stehenden Wachposten vorbei und verschwanden endlich hinter einer doppelten Polstertür. Beyer war zuerst dran, ich wurde in einen Nebenraum geführt, wo ich drei Stunden wartete. Dann trat ich in das Büro von Lamberz, der mich freundlich begrüßte. Es war eher ein Saal, holzgetäfelt, von kahler Pracht, um einen langen Tisch standen 24 Stühle, zwischen denen ich mir verloren vorkam. Lamberz und Adameck saßen mir gegenüber. Ich hatte mir zu Hause vorgenommen, keine Abbitte zu tun, denn einen Ausreiseantrag zu widerrufen, dazu brauchte es einen Mann, der härter im Nehmen sein mußte, als ich es war. Wir bemühten uns alle drei, den Ernst der Stunde zu feiern, auf private Worte und Grußfloskeln wurde verzichtet. »Ich bitte um Verständnis, daß ich eine weitere Auseinandersetzung heute nicht möchte, ich weiß gar nicht, ob ich dazu imstande wäre. Ich will nur eine Erklärung vorlesen, die ich mir zu Hause extra aufgeschrieben habe, einmal aus Furcht, hier etwas zu vergessen, zum anderen, weil so sichergestellt ist, daß jeder von uns sich später an dasselbe erinnert.
     
    27. November 1976
    »Ich bin zu jung, um an irgendeiner Front gegen den Faschismus gekämpft zu haben; daher kann ich mich nicht auf Taten in dieser Zeit berufen, um darauf meinen Anspruch auf Mitdenken und Andersdenken in unserem Land zu stützen. Aber ich bin als Halbwüchsiger hierhergekommen, habe hier die Schulen besucht, bin hier in die Lehre gegangen, habe im Stahlwerk Brandenburg als Schmelzer gearbeitet, als dort erst wenige Öfen standen. Bis zum Bau der Mauer konnte ich täglich beweisen, daß ich in diesem Lande leben und arbeiten will, denn ich hätte mit jedem S-Bahn-Zug wegfahren können. Und damals lebte ich sehr schlecht. Daß ich in der Zeit danach, als es mir gutging, freiwillig und gern hier geblieben bin, muß man mir einfach so glauben.
    Ich habe oft bedauert, parteilos zu sein, denn Informationen erhielt ich dadurch nur aus zweiter Hand und konnte meine Meinung, wenn sie kontrovers war, nicht der Partei, sondern nur einzelnen Genossen vortragen. Freunde von mir, Genossen, haben Parteiverfahren und Parteiausschlüsse solcher Meinungen wegen erlebt; ich konnte mir vorstellen, wie es mir in der Partei ergangen sein würde. Heute sagen viele Genossen, man möge sich die Statuten ansehen, dann wisse man, wie mit Becker, Wolf, Kunert zu verfahren sei. Wenigstens hier habe ich keine Probleme. Wolf Biermann habe ich in letzter Zeit kaum gesprochen. Leider. Ich war mittlerweile zu feige, ihn zu besuchen. In der Zeit vorher hatten wir gemeinsame und gegensätzliche Ansichten. Für mich ist

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