Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Knie, erst das eine, dann das andere, immer im Wechsel, wie ein Maori auf glühenden Kohlen. Er lässt sein Jackett kreisen und schreit: » Baila adelante baila! « Ich zeige in Richtung Klo. Bin gleich zurück . Ich verlasse den Laden, nehme ein Taxi und fahre nach Hause. Ich ziehe mich aus. Ich lege mich ins Bett und decke mich zu. Traurig. Bei mir zu Hause herrscht nicht die richtige Atmosphäre.
Auf einen Kaffee
»Das bleibt aber unter uns.«
»Klar, für wen hältst du mich?«
»Erinnerst du dich an Davide? An den, der letzte Woche wegen dieses closing in Berlin war. Keine Ahnung, um was es da ging.«
»Davide.«
»Achthundert Euro für zwei Stunden mit einer vom Escort.«
»Mit einer Nutte?«
»Mit einer vom Escort.«
»Wahnsinn. Ich hab’s ja immer gesagt, dass Davide es faustdick hinter den Ohren hat.«
»Ein Sausack.«
»Unglaublich.«
»Ich war überrascht, als er mir das erzählt hat.«
»Achthundert Euro.«
»Für zwei Stunden.«
»Wenn es wenigstens das ganze Wochenende gewesen wäre.«
»Wir wollen mal nicht übertreiben. Für ein Wochenende könnte man schon mal tausend hinlegen.«
»Aber höchstens.«
»Höchstens.«
»Und ihr? Fahrt ihr dieses Wochenende an den See, du und Caterina?«
»Wenn wir die Kinder bei den Großeltern abliefern können, werden wir sicher auf einen Sprung hinfahren.«
28
»Entschuldigung, aber wie spät habt ihr es?«
»Viertel nach fünf.«
Boraletti wägt die Information ab wie ein Polizist, der soeben ein wenig glaubwürdiges Geständnis gehört hat. Dann steht er auf, stützt die Hände auf den Tisch des Sitzungssaals und wiegt zufrieden den Kopf hin und her.
»Meine Herren.« Er atmet würdevoll ein. »Wir dürfen uns gratulieren, denn wir haben großartige Arbeit geleistet.«
Es ist Freitag, der letzte der drei vorgesehenen Verhandlungstage, und Bewegungen und Worte haben etwas Schleppendes bekommen. Der Kampfgeist der Anfangsphase ist einer Unerbittlichkeit gewichen, die Ton und Initiative dämpft. In den Gesten ist eine gewisse Mattheit zu spüren. Knicke und Flecken verunstalten die lindgrüne Mappe. Boraletti steht immer noch. Er beugt sich über den Tisch, ordnet seine Papiere und stopft sie dann energisch in sein Köfferchen. Seine Brille steckt er ins Brillenetui, seinen Stift steckt er in die Brusttasche, dann geht er zum Garderobenständer. Ich beobachte Donato, der Emily beobachtet, die ihren Chef beobachtet, der wiederum gerade seinen Mantel anziehen will.
»Franco«, fragt Emily. »Darf man mal erfahren, wo du hinwillst?«
»Emily. Beziehungsweise …« Er legt seinen Mantel über die Rückenlehne seines Stuhls. »Ich wende mich wohl besser an euch alle. Meines Erachtens ist es wichtig zu begreifen, wann der Moment zum Aufhören gekommen ist. Das waren drei intensive Tage, und wir haben viele Fortschritte gemacht …«
»Oh Gott«, falle ich ihm ins Wort. »Fortschritte. Ich habe wirklich nicht den Eindruck, als …«
»Entschuldigung, Andrea, es ist eine schöne Sitte, jemanden nicht zu unterbrechen, bevor er nicht zu Ende geredet hat. Danke. Ich sagte, dass wir viel und gut gearbeitet haben, und wenn jemand anderer Meinung ist …«, Boraletti wendet sich mir zu, »dann kann er das niemandem als sich selbst zuschreiben. Oder Giuseppe, der schon vor Stunden gegangen ist …«
»Giuseppe«, falle ich wieder ein, »hatte eine andere berufliche Verpflichtung.«
»An diesem Punkt«, fährt Boraletti unbeirrt fort, »sollten wir zweifellos die Notwendigkeit erkennen, innezuhalten und die Gedanken zu sortieren. Zu viele Eisen im Feuer erzeugen Verwirrung, und Verwirrung sollten wir unbedingt vermeiden, das sage ich aus Erfahrung, vor allem wenn es um ein so heikles Projekt wie das unsere geht.«
»Ich bin ganz deiner Meinung, Franco«, sagt Emily versöhnlich, obwohl ihr Tonfall eine gewisse Verärgerung verrät. »Dennoch. Es ist erst fünf …«
»Viertel nach fünf, Emily«, stellt Boraletti klar und lässt das Schloss seines Köfferchens zuschnappen.
»Viertel nach fünf, okay. Es ist erst Viertel nach fünf.« Emilys Stimme ist jetzt lauter geworden. »Und wir wissen alle, wie viel Arbeit wir noch vor uns haben und wie wenig Zeit uns dafür bleibt. Am ersten Tag habe ich von den Kollegen vollen Einsatz gefordert, denn voller Einsatz ist das, was wir in diese Geschichte zu investieren bereit sind. Wir sind alle müde, Franco, alle. Ich erwarte aber, dass sich das nicht auf unsere Arbeit auswirkt. Deshalb bitte ich dich,
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