Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Rolling Stones wären da …«
»I can’t get no paraparaparapà . Perfekt. Zwei Karten.«
»… aber das Konzert ist schon seit Monaten ausverkauft. Und etwas anderes gibt es meines Erachtens nicht. Aber warten Sie, ich schaue noch mal nach.«
»Hören Sie, es kann alles sein, wirklich. Musik ist immer schön, wenn sie mit Leidenschaft ausgeübt wird.«
Die Frau verzieht die Oberlippe und würdigt meine Bemerkung keines Kommentars. Sie starrt auf den Bildschirm, scrollt mit der Maus weiter und bewegt langsam ihren Kopf hin und her, die Zunge zwischen den Zähnen. Nein, nichts.
»Bitte«, sage ich. »Zur Not geht es auch ohne Leidenschaft.«
»Ich kann leider nichts finden, tut mir leid. Es scheint wirklich, als würden …« Die Frau unterbricht sich. »Nein, warten Sie. Vielleicht gibt es doch etwas. Lassen Sie mich nachschauen.«
»Egal was, ich nehme es.«
»Da. Da ist es.« Sie lächelt zufrieden vor sich hin.
»Super. Zwei Karten.«
»Oh.« Das Lächeln erlischt und verwandelt sich in eine bedenkliche Grimasse.
»Zwei Karten, zwei Karten«, beharre ich.
»Warten Sie.«
Das Mädchen zögert.
»Sind Sie wirklich sicher?«
29
»Die … Ricchi e Poveri ?«, fragt Emily entgeistert.
»Genau.«
»Soll heißen, die große Überraschung, die du mir nicht verraten konntest, um nicht alles kaputtzumachen, sind die Ricchi e Poveri ?«
»Nicht übel, was? Ein Revival.«
Das Wort Revival ist der Startschuss für eine Abfolge von Grimassen, bis sich Emily schließlich mit übertriebener Beharrlichkeit auf jene von Mitleid und Verachtung verlegt.
»Emily«, erkläre ich und fuchtle mit den Karten vor ihrer Nase herum. »Lass dich nicht von Vorurteilen leiten. Das ist nicht, äh, erwachsen. Die Ricchi e Poveri sind große Künstler. Fantastische Künstler. Sie sind … äh … Und sie haben so unglaubliche Songs im Repertoire.«
»Findest du«, sagt sie und stützt die Hände in die Hüften. »Die da wären?«
»Die da wären, was weiß ich.« Nachdem ich einen Moment nachgedacht habe, singe ich: Com’è bello far l’amore da Trieste in giù com’è bello far l’amore io sono pronta e tu . Wie schön ist die Liebe von Triest bis zum Vesuv, wie schön ist die Liebe, ich bin bereit, und du?«
Emily schaut mich erstaunt an.
»Bist du blöd?«
»Warum?«, frage ich ernst.
»Erstens ist dieser Song zum Davonlaufen. Und zweitens und hauptsächlich ist er nicht von den Ricchi e Poveri .«
»Er ist nicht von den Ricchi e Poveri ?«, frage ich, während ich ein Taxi herbeiwinke. »Dann klär mich doch bitte auf. Von wem soll er denn sein?«
»Von Raffaella Carrà.«
»Das Original vielleicht. Aber die Coverversion?«
»Welche Coverversion?«
»Kennst du die nicht? Wunderschön.«
Emily schaut sich um und scheint sich zu fragen, ob es nicht besser wäre, mir eine reinzuhauen und dann schnell wegzulaufen. Den Moment des Zögerns nutze ich, um die Tür vom Taxi zu öffnen und sie praktisch hineinzuschieben.
» Bevila perché è tropicana ye «, singe ich. »Das ist auch von den Ricchi e Poveri «, sage ich und schlage die Tür hinter ihr zu.
Ich gehe um den Wagen herum, steige ein und räuspere mich.
»In die Konzerthalle von Cisliano, bitte.«
Heilige Madonna scheint Emily zu flüstern, aber ich schalte auf stur. Der Verkehr, das Kreischen der Straßenbahnen, die Klänge der Großstadt, vielleicht habe ich es mir nur eingebildet. Das Taxi fährt mit quietschenden Reifen los. Am Steuer sitzt ein Typ mit langen Haaren, Stammestätowierungen an den Unterarmen und parallel eingestochenen roten Linien auf den Wangen. Er steckt ein paar bunte Federn, die sich vom Rückspiegel zu lösen drohen, wieder fest und schlängelt sich durch den Verkehr. Von der Taxispur schießt er auf die normale Spur, gelegentlich auch auf die Gegenfahrbahn, und fummelt am Radio herum, bis irgendwann in Hifi-Qualität die Gesänge amerikanischer Ureinwohner den Innenraum erfüllen. Eingelullt von den Trommeln und dem andachtsvollen Flüstern des Typen, der uns mit kalabrischem Akzent erklärt, dass es sich um eine Hymne an die große, alle Wesen der Erde verbindende Liebe handelt, eine Liebe, die auch die Bösen einschließt, denn die gibt es sehr wohl , finde ich den Mut, mein Blackberry auszuschalten.
Plötzlich macht der Taxifahrer eine Vollbremsung und bleibt vor einem Plakat stehen, auf dem eine Frau von zwanzig, zweiundzwanzig verkündet: Ich habe meine Falten besiegt. Eine Schrift von mehreren Metern Länge gebietet:
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