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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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ALTERN VERBOTEN . Die junge Rothaut streckt die Hand zum Beifahrersitz aus, greift nach einer merkwürdigen runden Drahtkugel, dreht sich um und zeigt sie mir.
    »Das ist ein Mandala«, sagt er mit sanfter Stimme und macht sich an dem Ding zu schaffen.
    Der Gegenstand nimmt nacheinander verschiedene Gestalten an, die der Typ in einer beunruhigenden Litanei geflissentlich benennt: Stern … Knospe … Planet … Rose … Mandel … Stern … Knospe … Planet … Rose … Mandel …
    »Das sind die Kombinationen der Liebe«, erklärt er mir und schaut auf einen unbestimmten Punkt auf meiner Stirn. »Und gleichzeitig …«
    »Ja?«, frage ich ungeduldig.
    »… gleichzeitig ist es ein Weg zur Heilung. Der Heilung von Seele und Träumen.«
    »Aha.« Ich lege beide Hände auf das Mandala. »Ich danke Ihnen sehr für diese Demonstration. Man darf das Spirituelle nicht aus dem Blick verlieren, das Allerinnerlichste. Jetzt ist es allerdings wirklich schon spät. Konzerthalle Cisliano. Bitte.«
    »Das ist ein Original aus Tibet.«
    »Tibet?«
    Der Typ schaut hinunter auf meine Nasenspitze. Dann blickt er auf die Fußmatte.
    »Aus der Nähe«, murmelt er.
    Dann dreht er sich um und sagt nichts mehr.
    Die Konzerthalle von Cisliano – ich habe mich erkundigt – ist nichts als eine rechteckige Halle, in der man bis vor wenigen Jahren für eine bekannte Supermarktkette Tortellini hergestellt hat. Nachdem dann eine Hausfrau in einer Packung Käse-Cappelletti ein Mäusebein gefunden hat, führte die Prüfung durch eine Lebensmittelbehörde zu einer Anzeige und in der Folge zur Schließung des Werks und zur Umnutzung der Halle. Auf drei Seiten ist sie von Feldern umgeben, auf der vierten befindet sich ein großer Parkplatz, der von der Umgehungsautobahn überspannt wird. Emily und ich steigen an einer Stelle aus dem Taxi, wo soeben ein Junge gegen eine Laterne pinkelt. Wir schauen ihn erstaunt an, und er hebt die Hand zum Gruß. Emily sucht meinen Blick, neigt den Kopf zur Seite, verzieht den Mund, runzelt die Augenbrauen. Um uns herum tauchen wie lebende Tote aus einem B-Movie der Achtziger paarweise Alte aus der Dunkelheit auf und steuern auf das Kartenhäuschen zu. Die Damen tragen Blümchen, die Herren Drillich.
    »Entschuldigen Sie bitte«, fragt mich ein Männchen in karierter Jacke, die ihm bis über beide Pobacken hinabreicht. »Ist hier das Konzert von den Ricchi e Poveri ? Ich wollte mich nämlich ein bisschen amüsieren und das Tanzbein schwingen.«
    Er lacht und bewegt die Arme auf und ab, als würde er Twist tanzen.
    »Ich glaube … Ich denke ja«, antworte ich, während es in meinem Kopf widerhallt: Stern … Knospe … Planet … Rose … Mandel … Stern … Knospe … Planet … Rose … Mandel …
    Emily ist derweil zu einer Bude vorausgegangen, wo man Bier und Wurst bekommt. Ich verabschiede mich von dem Männchen, das jetzt die Hüfte zum Knie hinabgebogen hat und das Becken kreisen lässt, und eile ihr nach. Emily bezahlt soeben zwei Bier. Lächelnd schaut sie mich an.
    »Hier, nimm«, sagt sie und reicht mir eine Dose. »Jetzt wollen wir uns aber amüsieren.« Und schon ist sie zum Eingang der Halle gelaufen.
    »Klar, jetzt wollen wir uns amüsieren«, bestätige ich im Tonfall dessen, der soeben eine grandiose Entdeckung gemacht hat, und schaue in den erlöschenden Himmel.
    Im Innern unterscheidet sich die Konzerthalle nicht wirklich von dem, was man von einer Tortellinifabrik erwartet. Der Boden ist mit Holzbrettern bedeckt, ein paar Scheinwerfer verbreiten das gelbliche Licht von Wartesälen städtischer Behörden, und an den Wänden hängen Plakate von den letzten Veranstaltungen, die man hier hatte ausrichten dürfen: Franco Bologna und seine Wikinger, Tanzabend mit den Zwillingen Liebesleid, dann ein gewisser Gigi aus Alassia und sein New Melody Orchestra. Hinter den etwa hundert Stühlen, die grätenförmig aufgestellt und zu einem guten Teil noch leer sind, wurde eine kleine Bühne errichtet, vor der eine Plastikplane mit verblassten und von jeglicher Kreativität verschonten Sprüchen hängt: 20% Rabatt auf den Kühlschrank deiner Träume. Das Möbelhaus Tortona macht den Preisen Beine. Kauf alles bei Purini. Plötzlich erlöschen die Lichter. Ein großer Scheinwerfer richtet sich auf die Bühne und empfängt, zusammen mit einem langen, gesetzten Applaus, drei ziemlich kleine Personen, zwei Männer und eine Frau. Sie verbeugen sich, winken, werfen Küsschen ins Publikum.
    »Was sind denn das für

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