Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
kommt, stellt zwei Gläser auf den Tisch und füllt sie mit Limoncello.
»Vom Haus.«
Einen reicht er Emily.
»Für die Dame. Gegen Grippe.«
Den anderen reicht er mir.
»Für den jungen Mann. Als Aphrodisiakum.«
Ich kippe mein Glas in einem Zug hinunter, stehe auf, gehe zur Kasse und zahle. Signor Aldo kämpft gegen den Schlaf, reicht mir einen Taschenrechner und fragt mich, ob ich den Betrag selbst ausrechnen könne. Er lächelt und deutet mit dem Kopf in Emilys Richtung. Ich lächle zurück. He he he. Emily kommt jetzt auch und protestiert, dass sie ihren Teil selbst zahlen könne, und Signor Aldo nutzt die Gelegenheit, um sich vorzustellen und ihr zu sagen, wie schön sie sei. Emily wehrt ab und bedankt sich ihrerseits für die herzförmige Pizza und für die Freundlichkeit, die man uns trotz der späten Stunde erwiesen habe. Dabei berührt sie mit ihrem Knie mein Bein.
»Kein Problem«, sagt Signor Aldo liebenswürdig. »Wirklich kein Problem. Ich froh, sehr froh, unser Freund mit so schönem Fräulein hier. Sonst immer so allein.«
Emily schaut mich an.
Ich zucke schweigend mit den Achseln. Bewege den Kopf hin und her. Verneine.
Die Klimaanlage im Taxi läuft auf Hochtouren. Der Taxifahrer, ein Mann mittleren Alters in einem kurzärmligen, orangefarbenen Hemd, fragt mich, warum man vor der Familie keinen Respekt mehr habe. Bevor ich antworten kann, befiehlt er: »Still«, und lauscht auf etwas, das ich nicht hören kann. Ohne etwas zu sagen, kommen wir vor dem Hotel an, und ich bitte ihn, auf mich zu warten, während ich Emily verabschiede.
»Hören Sie das nicht auch?«, fragt er unbeteiligt und legt den Finger an sein Ohrläppchen.
Emily geht indessen entschieden auf den Eingang zu, dreht sich dann zu mir um, verschränkt die Hände vor dem Bauch und nickt.
»Also, danke«, sagt sie.
Sie wirkt zufrieden.
»Ja«, sage ich und schaue auf ein Rinnsal, das unten an der Hotelmauer entlangfließt. »Was ich noch sagen wollte … äh … Ich bin, wie soll ich sagen … Ja, also, ich bin … Es war sehr schön. Genau.«
Die Geräusche der Stadt um uns herum sind plötzlich weit weg, der Verkehr, die Sirenen, der Wasserstrahl der Straßenreinigung, die Hupe des Taxifahrers, der meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. Alles bewegt sich langsam, als würde es den Atem anhalten in diesem Moment, da ich Emily anstarre und mich um einen anzüglichen Blick bemühe und die Vibrationen meines Blackberry zu spüren vermeine, obwohl ich sicher bin, es ausgeschaltet zu haben.
»Aha?« Emily zieht die Augenbrauen hoch. »Es war sehr schön? Ist es jetzt vielleicht nicht mehr schön? Oder versuchst du etwa, mich anzubaggern?« Sie lacht und schaut beiseite.
»Ha … Ha …« Unwillkürlich fange auch ich zu lachen an. »Anbaggern … Haha … Ich … Haha … Was für ein Unsinn … Haha …«
»Los, fahr jetzt nach Hause, denn morgen geht’s ins Gefecht. Da hilft auch kein Mamma Maria .«
» Anbaggern . Haha.«
Emily beugt sich zu mir und küsst mich auf die Wange. Dann dreht sie sich um, tritt in das Abteil der Drehtür und verschwindet. Ich bleibe still stehen, bis der Taxifahrer wieder hupt, lang anhaltend. Nun gehe ich zurück und steige ein.
»Piazza Sant’Agostino«, sage ich abwesend.
»Wurde aber auch Zeit«, schnaubt er. »Schnallen Sie sich an, denn die Strafe zahle ich.«
» Anbaggern . Haha.«
Der Taxifahrer dreht sich um und blickt mich finster an.
»Hören Sie, wenn Sie betrunken sind, sagen Sie es gleich. Ich habe soeben die Polster neu beziehen lassen. Wenn Sie auf den Sitz kotzen, garantiere ich für nichts.«
31
Eine Woche ist vergangen, und ich bin gealtert, als Giuseppe jetzt vor mir steht und den Kopf schüttelt. Die geladene Stimmung, der gesprengte Zeitplan, die allgemeine Nervosität, die unterschwellige Ungeduld des Mandanten, die Verzögerung trotz der knappen Zeit lassen die Welt für ihn in weite Ferne rücken. Giuseppe spricht aus einem Universum, dem ich nicht angehöre und in welchem Arbeit, Aufstieg und success Metaphern für etwas Wichtiges sind, das es noch näher zu bestimmen gälte.
»Du wirkst apathisch auf mich, Endru. A-pa-thisch . Herrgott im Himmel, es bedarf der Entschlossenheit, um zum Ziel zu gelangen. Zum Gipfel.« Giuseppe zeigt mit dem Finger nach oben und bleibt so stehen.
»Nein, Giuseppe«, erwidere ich schwach. »Mit Apathie hat das nichts zu tun. Seit Tagen schlafe ich nicht länger als vier Stunden die Nacht. Boraletti ist nicht kooperativ.
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