abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
Forelle mit ihrem schwanzwedelnden, grinsenden Köter und glotzte mich mit ihren fischigen grauen Augen an.
»Soll ich zu Ihnen raufkommen? Brauchen Sie Hilfe?«
»Nein! Nein! Nein!«
»Ich dachte nur, weil Sie … so geschrien …«
»Kann man in diesem Scheißkaff nicht eine Scheiß-Sekunde alleine sein? Verschwinden Sie endlich! Mir geht’s auch ohne Ihr therapeutisches Gefasel scheißbeschissen.«
Das müsste an Beleidigungen eigentlich reichen.
»Ich sehe, dass Sie wütend und verzweifelt sind. Wenn Sie darüber sprechen möchten?«
»Habe ich mich unklar ausgedrückt?!«
»Ich würde trotzdem gerne zu Ihnen raufkommen. Vielleicht …«
»Hauen Sie ab! Ich komm’ alleine klar.« Solange mir die Zigaretten nicht ausgehen, jedenfalls.
Ich ließ mich zurück auf die kleine Holzbank fallen und steckte mir die nächste Gauloises an. Schon tauchte der Kopf der Forelle in der kleinen Luke des Hochsitzes auf.
»Frau Abendroth, was ist denn mit Ihnen? Sie sehen ja furchtbar aus.«
Sie hievte sich durch die Öffnung, setzte sich neben mich und nahm meine Hand. Für einen kurzen Moment hatte ich das Bedürfnis, der Forelle alle Zähne auszuschlagen, aber dann, ohne dass ich es wollte, erzählte ich ihr die ganze Geschichte: von Wilma, meiner Verräterfreundin, die hinter meinem Rücken mit meinem ärgsten Feind paktierte – ausgerechnet mit dem Mann, der mich vor die Wahl gestellt hatte, entweder das drohende Fragezeichen über unserer Beziehung zu akzeptieren oder am besten gleich zu gehen. Ich war gegangen, und es hatte mir das Herz gebrochen. Nachhaltig. Ich überflutete Sibylle Schröder-Fröse mit allen Einzelheiten meiner Schreibblockade, schilderte ihr meinen ungeordneten Rückzug aus Köln ins Exil nach Bochum und ließ auch die Leichen meiner Bestatter-Episode nicht aus. Die ganze Zeit hielt sie meine Hand und tätschelte mir den Rücken. In regelmäßigen Abständen reichte sie mir routiniert Papiertaschentücher.
Als mir die Worte ausgingen, holte ich fluchend aus der Innentasche meiner Windjacke mein Portemonnaie und nestelte mit zitternden Fingern eine Visitenkarte hervor – seine Visitenkarte. Alles, was mich nach der Trennung noch an das gemeinsame Leben mit dem Knipser erinnern konnte, hatte ich vernichtet. Und was ich übersehen hatte, hatte die Überschwemmung in meinem Souterrain an Weihnachten für mich erledigt. Nur diese Visitenkarte war übrig geblieben. Es war meine letzte Erinnerung an ihn, bis auf die Fotos in diversen Hochglanzmagazinen natürlich, die ich gelegentlich vernichtete, wenn ich in Wilmas Salon saß. Ich ließ meine Wut an der Visitenkarte aus und riss sie entzwei. Die Papierschnipsel rieselten auf den Boden.
Die Forelle schaute bestürzt drein. Ihre grauen Augen wurden glasig, und es sah so aus, als würde sie jeden Moment anfangen zu heulen.
»Sie müssen hier keine Empathie heucheln«, fuhr ich sie an.
Noch so ein dämlicher Blick von ihr und ich flippe komplett aus.
»Ich muss gehen.« Im nächsten Augenblick stand ich schon auf der ersten Sprosse der Leiter. Nike, die im Gras gelegen hatte, war aufgesprungen und wedelte freudig mit dem Schwanz.
Die Forelle legte eine Hand auf meine und sagte: »Das tut weh, nicht wahr? Ich weiß, aber …«
Hatte die dusselige Kuh das jetzt wirklich gesagt? Das tut weh?
»Was denn sonst?« Ich schlug ihre Hand so heftig weg, dass sie gegen das Holz knallte. »Lernt man so’n Kack auf der Therapeutenschule? Ja, das tut weh? «, äffte ich ihren sanften Singsang nach. »Fällt Ihnen nix Neues ein? Und wie weh das tut! Tut’s bei euch Lesben weniger weh?«
Sie wich erschrocken zurück. Die glaubt doch wohl nicht, dass sie sich hinter ihrem dämlichen Doppelnamen verstecken kann. Ja, hat die denn geglaubt, das merkt keiner, dass die Dorfberühmtheit Ariadne – Bildhauerin und ausgewiesener Butch in Flanellhemden und Springerstiefeln inklusive nicht rasierter Achselhaare – die Lebensabschnittsgefährtin der Forelle ist? Auf Schritt und Tritt wurde man im Garten der Kurklinik von ihren Installationen aus Holz, Stahl und Stein verfolgt. Ariadne nannte alle ihre Kunstwerke Frau, weil, wie sie es in einem ihrer Prospekte, die in der Kurklinik auslagen, formuliert hatte, die Frauenliebe eine universelle sei. Wer braucht da noch Namen?
»Bleibt Ihnen endlich mal was im Halse stecken? Frau Schröder-Fröse! Ja, das tut weh. Ach, Sie sind also sehr wütend. Aha. Das ist gut so, lassen Sie alles raus« , äffte ich ihren
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