abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
Therapeutensermon nach.
Ich bekam plötzlich die allergrößte Lust, ihr das Das-tut-weh-nicht-wahr-Sprüchlein aus dem spitzen Gesicht zu prügeln. Damit sie mal merkt, was hier wehtut.
»Sie müssen mich nicht beleidigen, weil es Ihnen schlecht geht«, sagte sie mit Nachdruck. Ihre flusigen Haare standen ihr wirr vom Kopf ab. »Ich verstehe ja, dass Sie wütend sind. Und ja, ich liebe meine Freundin. Ich habe auch vor Jahren auf tragische Weise meinen … einen … Angehörigen verloren. Ariadne war die Einzige, die in diesen schweren Zeiten für mich da war. Ich habe doch nur versucht, nachzufü …«
Ich ließ die Leiter los, fiel die letzten anderthalb Meter und plumpste ins Gras. Nike sprang bellend zur Seite, zog die Stirn kraus und legte den Kopf schief.
»Maggie, ich weiß, dass Sie ihn geliebt haben. Und Sie kommen sich jetzt verraten vor, weil er nicht das war, was Sie in ihm sehen wollten«, rief die Forelle von oben.
Ach, wie gerne wäre ich jetzt bewaffnet. Ich schaute nicht zurück, während ich zur Straße rannte. Ich hatte ihn geliebt, natürlich, du Therapeutengenie, ich hätte ihm meine linke Niere gespendet, wenn’s hätte sein müssen. Und ich hatte jahrelang nichts weniger in ihm gesehen als den besten Kerl der Welt – hinter der Kamera, am Frühstückstisch, im Bett und in seinem Angeber-Volvo. Nicht mehr und nicht weniger, bis er mich eines Besseren belehrt hatte. Leider hatte ich für diese Erkenntnis 15 Jahre, eine Interims-Ehe des Knipsers mit einer anderen Frau inklusive Kind und mehrere Models auf der Bettkante gebraucht – da kann man schon mal ins Schleudern kommen. Und bis vor wenigen Minuten hätte ich Stein und Bein geschworen, über ihn hinweg zu sein. Na ja, mit ein paar kleinen Nachwehen. Was muss meine dumme beste Freundin Wilma auch mit dem nach Rom fahren? Kann die sich nicht denken…?
»Denken Sie immer daran, Männer sind es nicht wert, dass … Nie … Seien Sie froh …«
Ein großer Lastwagen bretterte an mir vorbei. Der Fahrtwind schlug mir hart ins Gesicht, und ich blieb in letzter Sekunde am Straßenrand stehen. Der Lärm verschluckte gnädig Sibylle Schröder-Fröses therapeutische Erkenntnisse über meine Ex-Beziehung.
Mit dem festen Vorsatz, Mister Plings Kesselpauke zu Brei zu schlagen, aus rein therapeutischen Gründen versteht sich, ging ich mit zittrigen Knien weiter in Richtung Kurklinik. Ich schob Oma Blaschke einen Zettel mit der Nachricht unter der Tür durch, dass ich heute Abend nicht mit zum Berkelbacher Hof kommen konnte. Sie würde mich nicht vermissen. Sollte sie lieber mit Mia und Carmen ihre Siegesfeier genießen. Mit meiner Stimmung würde ich ihnen eh nur den Abend verderben. Mit den drei Hexen allein wäre es ja gerade noch gegangen, aber meine Verfassung verbot ein Zusammentreffen mit dem dämlichen Fox Mulder und der grünen Rita. Es gab schließlich schon einen Toten in Bad Camberg, weiß der Geier wo, aber es würden schnell noch zwei hinzukommen, wenn ich den Abend mit Fox und Rita im selben Raum verbringen musste.
Die Kesselpauke blieb leider unerreichbar. An der Tür zum Musiktherapie-Raum hing ein handgeschriebener Zettel mit der Nachricht, dass Mister Pling sein Sabbatjahr angetreten hatte. Seine Vertretung sei ab Montag für uns da.
Ich verbrachte den Rest des Abends damit, meine Tasche einzupacken, wieder auszupacken und wieder einzupacken. Das Telefon klingelte mehrmals, aber ich ging nicht ran. Ab 19.30 Uhr, als ich sicher sein konnte, die ganze Schatzsucherbande auf dem Weg zum Schnitzelfest zu wissen und den Rest der Krücken auf dem Weg in andere Amüsierstätten, verbreitete ich im Raucher-Gulag schlechte Laune unter denen, die zu schwach gewesen waren, die Kurklinik zu verlassen. Mitleidlos nahm ich mir jede Menge Zeit, die schwarze Wolke über mir mit jeder Menge Racheszenarien zu füttern – sieben Variationen zum Thema: Wie ich am Montag Wilma in der Luft zerreißen werde.
06
Die schwarze Wolke hing am Sonntag während der gesamten Rückfahrt nach Bochum immer noch über meinem Kopf. In meinem Hirn jagten ungefähr eine Million Worte pro Minute durch die Synapsen – in meinem Sprachzentrum dagegen war Ebbe. Schon ein gelegentliches Ja und Nein über die Lippen zu bringen, fiel mir schwer. Nachdem Winnie mehrmals versucht hatte, mit mir ein Gespräch anzufangen, hatte er es aufgegeben und sich ganz auf seine Oma konzentriert, die ihm en détail unsere drei Wochen schilderte.
Derweil saß ich auf dem
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