abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
eines hochsensiblen Ballerino zu kümmern, und zog mir ein weißes T-Shirt über, das ich im Wäschehaufen gefunden hatte. Wenn ich die Jacke den ganzen Tag nicht aufknöpfe, wird man den Kaffeefleck unter der linken Brust nicht sehen.
Draußen hupte das Taxi. Ich schnappte mir meine Tasche, zwirbelte um meine feuchte Lockenmähne ein Haargummi und rannte die Treppe hinunter. Gerade hatte ich die Türklinke in der Hand, als Nikolaj auf der Treppe erschien und mir ein blütenweißes, gebügeltes Hemd entgegenhielt.
Der Taxifahrer bewies Enthusiasmus an der Hupe.
»Ist das für mich?«
»Bitte, wenn du willst. Es müsste ungefähr passen.«
Nikolaj knöpfte das Hemd auf, ich riss mir Jacke und T-Shirt herunter, schlüpfte in das Hemd und zog das Jackett wieder über. Nikolaj korrigierte den Kragen, während ich mit fliegenden Fingern zuknöpfte und die Manschetten gerade zog. Ein letzter Blick in den Spiegel und fertig.
»Danke, Nikolaj. Vielen Dank. Ich bin total im Stress. Wir sehen uns.«
Schon war ich aus der Tür, drehte mich aber noch mal um und sagte: »Ich bin übrigens Maggie.«
»Ich weiß.«
»Aha?!«
»Wie sagt man so – ich habe schon viel von dir gehört.«
Eine halbe Stunde später saß ich gestiefelt und gespornt auf meinem Platz im ICE nach Köln und erledigte mein Make-up. Um 13.03 Uhr werde ich aus dem Zug steigen, um 14.10 Uhr habe ich meinen Vertrag unterschrieben. Bleibe noch zwei Stunden, um locker mit dem Rettich und den Redakteuren bei einer Panna Cotta und einem Espresso heiße Luft zu blasen. Um spätestens 16.09 Uhr wird eine komplett neue, alte Maggie Abendroth wieder im Erste-Klasse-Abteil nach Bochum sitzen und Listen und Pläne schreiben, um den Umzug nach Köln vorzubreiten. Wenn ich mich rechtzeitig vom Arbeitsessen abseilen kann, werde ich es sogar noch schaffen, beim Makler in der Friesenstraße vorbeizuschauen, um eine Wohnung in Auftrag zu geben. Gegen 18 Uhr werde ich meinen Triumph und meinen Abschied von Bochum mit einer Zigarre, einem warmen Schoko-Brownie, einem Cognac und einem Espresso im Livingroom feiern. Alleine! Was schert mich jetzt noch Wilmas Gezeter über mein ach so schwaches Selbstbewusstsein? Soll sie doch meinetwegen 1000 Jobs mit dem Knipser machen. Und wenn sie will, noch viel mehr. Was schert mich Winnies Liaison mit einem russischen Tänzer? Soll er sich doch zum Liebeskasper machen, russisch sülzen, Kusshändchen werfen und sich von seinem Prinzen »Tortiki« nennen lassen. Oma Blaschke ist wieder fit und bastelt bestimmt schon am Brause-Highlight für das nächste Weihnachtsfest, und Herr Matti hat den besten Anwalt der Welt. Wenn es meine Zeit erlaubt, werde ich ihn im Knast besuchen.
Alles geht einmal zu Ende. Auch die Pechsträhne der Maggie Abendroth. Wer mit Siebenmeilenstiefeln durch die Welt geht, kann zum Abschied nicht jedem zuwinken.
Zwei labberige Mitropakaffees später und pünktlich auf die Minute kam ich in Köln an. Die Frisur saß. Eilig ging ich die Treppen vom Bahnsteig hinunter, wandte mich rechts dem Hauptausgang zu und atmete zufrieden Kölner Luft. Ja! Das war es, was ich vermisst hatte: 4711 vermischt mit Autoabgasen und etwas schmodderigem Rhein-Odeur. Das riecht nach Business und nach Fernsehen. Als wollte mich die Stadt auch gebührend willkommen heißen, kam ich an einem mit rotem Flatterband abgesperrten Areal vorbei. Dahinter sah ich einen Kameramann, der fleißig dabei war, seinen Assistenten zusammenzubrüllen, und einige andere Filmwerker bei der Arbeit, die so taten, als wären sie wichtig. Da ich ja jetzt wieder dazugehörte, unterließ ich es, mich der Ecke neugierig zu nähern. Das macht man einfach nicht. Leider hatte ich wohl doch zu lange hingeguckt, denn ich stolperte über einen Aufsteller vor der Tür des Zeitschriftenladens, strauchelte und rempelte frontal mit einem Mann zusammen, der auch nicht aufgepasst hatte, weil er interessiert seinen Express studierte.
Ich entschuldigte mich, der Mann knurrte nur irgendwas auf Kölsch und faltete seinen Express wieder ordentlich zusammen. Und dann faltete es mich ein bisschen zusammen. Ich riss dem nichts Böses ahnenden Fremden den Express aus der Hand und ignorierte seinen lauen Protest. Riesenlettern auf der Titelseite schleuderten mir die Nachricht des Tages entgegen: »KÖLNS BEKANNTESTER FILMTYCOON RASMUS REITMEIER TOT IM COMER SEE. Köln trauert …«
Der Mann schnappte mir die Zeitung aus der Hand und brummte: »Kaufen Sie sich doch selber
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