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abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)

Titel: abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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Klasse besudeln würde.
    Der mexikanische Musikant hatte aufgehört zu spielen und versuchte ein Lächeln. Ich starrte angestrengt aus dem Fenster und kämpfte mit wenig Erfolg gegen den nächsten Tränenschwall. Endlich kam das Bochumer Bermudadreieck in Sicht. Ich warf einen letzten Blick auf die Schlagzeile und stopfte den Express wütend in den Mülleimer. Der Mexikaner wich zwei Schritte vor mir zurück und radebrechte:»Sssso traurisch machen? Wassepassierte, Senõra, bitte?«
    Tja, ich bin wieder bei null, hätte ich sagen können. Ganz einfach – Null, Zero, gar nichts – eigentlich ist alles wie immer. Worüber rege ich mich eigentlich noch auf?
    Der Mexikaner lächelte mir aufmunternd zu und klimperte ein paar sanfte Töne auf seiner Gitarre. Schon wieder La Cucaracha und sagte: »Immer wassepassierte in Leben … singe gutt.«
    Die Türen glitten mit einem sanften Zischsch auf.
    »Wassepassierte? Ein Musiker wird sterben, wenn er nicht bald ein zweites Lied lernt«, zischte ich und stolperte auf den Bahnsteig. Statt Geld, Ruhm und Ehre brachte ich nur wieder mich und meine Loser-Pest in die Stadt. Zero, Null – tatsächlich, alles so wie immer, nur war ich heute dabei ausnahmsweise gut angezogen.
    Ich traute meinen Augen nicht, als ich mich in Richtung Treppe schleppte. Auf dem Bahnsteig gegenüber stand doch tatsächlich Winnie Blaschke, im Arm seinen Nikolaj. Was haben die hier zu suchen?
    Die Antwort kam schnell, ein Intercity bremste quietschend. Winnie umarmte Nikolaj. Wenn er ihm jetzt noch die Zunge in den Hals steckt, kriege ich auf der Stelle Augenkrebs!
    Ich versteckte mich hinter dem Wartehäuschen und linste um die Ecke. Nikolaj stieg mit einer großen Sporttasche in der Hand in den Zug. Er fährt weg. Endlich. Doswidanje, Ballettprinz.
    Aber die Vorstellung, dass Nikolaj endlich aus Bochum verschwand, tröstete mich weit weniger, als ich mir in den letzten Tagen ausgemalt hatte.
    Als ich sicher sein konnte, dass Winnie mit Winke-Winke und Kusshändchen fertig und vom Bahnsteig verschwunden war, traute ich mich aus meinem Versteck.
    Meine vernünftige innere Stimme und ich hielten sich fest umklammert und wimmerten. Endlich waren sich die beiden mal einig. Ihre Wahl hieß Wodka.

11
    Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? Vor allen Dingen, wo?
    Wo ist hier, wo ich bin?
    Warum bin ich nackt?
    Warum klebt meine Zunge am Gaumen fest?
    Warum glotzt mich ein Augapfel im Frack an?
    Obwohl mein Körper sich in eine schleimige, amorphe Matsche verwandelt hatte, schien es etwas zu geben, das auf Beantwortung all der o.g. existenziellen Fragen drängte. War das, was da so herumschwappte, mein Gehirn? Die Hauptmatsche nahm eine aufrechte Position ein, damit der Wackelpeter, der aus meinen Augenhöhlen quoll, ein paar Bilder der Örtlichkeit abfotografieren und zur Vergleichsanalyse an das Hirn-Dings schicken konnte. Dann, so versprach das, was vorgab, mein Hirn zu sein, könnte es möglich sein, eine Entscheidung darüber zu treffen, was als Nächstes zu tun sei.
    Zuerst war der Empfang gestört, und mein Hirn produzierte ein paar unscharfe Bilder: das Residents-Tourplakat mit dem Augenmann-Original, Zeche Bochum, 3. Juni 1983; ein Stingray Pearl Blue Black E-Bass lehnte an einer Wand. Halb in den Türrahmen hinein ragte eine verchromte Stoßstange. Ein Haufen dreckiger Wäsche auf dem Fußboden. Fußboden, Holz.
    Der Wackelpeter spielte am Objektiv herum und zog die Schärfe nach: Aha, der graue Balken an der gegenüberliegenden Wand entpuppte sich als Plattensammlung, mehrere Meter lang. Plattensammlung, mehrere Meter lang. Plattensammlung, mehrere Meter lang.
    ZOOM:Public Image Limited, Frank Zappa and the Mothers of Invention, Yello, Yello, Yello, Depeche Mode, Dead Kennedys, Stranglers, Donovan …?, Sisters of Mercy, Residents. Bollock Brothers, Stranglers … Peaches. Peaches. OH – MEIN – GOTT!
    Plötzlich hatte ich Knochen und stand senkrecht im Bett. Im nächsten Augenblick taumelte ich durch die Wohnung und fand den Ausgang. Ich öffnete die Tür, schaute aufs Klingelschild und wusste – ich war verloren. Ich hatte die Nacht mit KAI-UWE HASSELBRINK verbracht!!
    Was meine Befürchtungen für mein Leben nur bestätigte: Hurrah! Es kann wirklich immer noch schlimmer kommen. Das hier – das lag eindeutig unter der Nulllinie.
    Erinnerungsfetzen der vergangenen Nacht flogen wie Schnipsel eines zerrissenen Zelluloidstreifens durch mein Hirn. Ich konnte immer nur ein winziges Detail erkennen,

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